Behauptung 1: Der Islam ist eine gewalttätige Religion
Der Islam selber kann nicht handeln und auch keine Gewalt ausüben. Islam ist die Bezeichnung für eine Weltreligion mit gegenwärtig ca. 1,6 Milliarden Anhängern. Ein Urteil über den Islam kommt entweder aus dem theologischen Bewusstsein dieser Religion oder aus der empirischen Beobachtung der Muslime. Der Hang zur Gewalt ist keine religiöse Begebenheit.
Hingegen lassen sich die Friedenspotenziale der Religion des Islam theologisch begründen. Der Islam versteht sich als ein Weg der Glückseligkeit: Seine Ethik mit allen Tugenden, die uns seit der Antike bekannt sind, besteht darin, das mittlere Mass zu halten, jenes zwischen zwei Extremen, Übermass und Mangel. Der Islam als Religion bewegt Muslime dazu, «Frieden zu stiften zwischen den Menschen» (Koran 2,224). Dafür begreift sich der Koran als Rechtleitung und der Prophet Muhammad als Vorbild.
Das Ziel des Korans ist Gerechtigkeit, nicht zum Beispiel das Abhacken von Händen. Das Handabhacken ist eine Strafe aus dem 7. Jahrhundert. Nicht das Abhacken der Hände ist spezifisch islamisch, nicht der Strafvollzug ist das erklärte Ziel des Islam, sondern die Herstellung einer gerechten Gesellschaftsordnung. Deshalb sind die Strafandrohungen im Koran aus diesem Bewusstsein heraus zu lesen. Heute ist die Welt nicht mehr dieselbe wie damals.
Behauptung 2: Der Koran legitimiert Attentate und Selbstmordattentate
Der Koran versteht sich als eine entschiedene Liebeserklärung Gottes an die Menschen allesamt (vgl. Koran 5,54). In diesem Sinne ist der Koran für Muslime die Offenbarung Gottes, die leitet, trägt, tröstet, zum Guten überzeugt und verpflichtet, das Leben bejaht, Vielfältigkeit und Andersartigkeit würdigt, Hass und Zerstörung klar ablehnt.
In diesem Sinne gibt der Koran zu bedenken: «Wenn einer erhält jemanden am Leben: es soll sein, als hätte er erhalten die Menschen am Leben, allesamt», wie auch die Tötung eines Menschen derart begriffen wird, «als hätte er getötet die Menschen, allesamt» (Koran 5,32). Attentäter und Selbstmordattentäter wollen Zerstörung und Vernichtung. Damit ist jeder Mensch jederzeit wert, vernichtet zu werden – für ein grösseres Ziel, das aber nicht in diesem Leben zu finden ist.
Dieser militante Nihilismus leugnet die Schöpfung und damit im Wesentlichen den Schöpfer. Sie kehren die Position der islamischen Religion um: Sie leugnen Gott. Attentate und Selbstmordattentate sind deshalb nicht im Entferntesten aus dem Koran zu legitimieren. Denn wer glaubt, so steht es im Koran, der lebt in Demut, der vertraut Gott, spielt aber nicht selbst Gott.
Behauptung 3: Muhammad ist ein Kriegstreiber
Es gibt viele Mythen um den Propheten Muhammad. Es lässt sich nicht leugnen, dass er in seinem Leben Feldzüge – zum grössten Teil gegen die Mekkaner – unternommen hat. Es ist aber falsch, die Gründe der Feldzüge undifferenziert bloss kriegerisch zu deuten. Ebenso falsch ist es, seine Person und sein Gesamtwerk, ja seine Botschaft ausschliesslich auf diese Feldzüge zu reduzieren. Die muslimische Denktradition hat dafür nahezu eine eigene literarische Erzähltradition entwickelt, die sich peinlich genau mit den einzelnen Feldzügen befasst. Darin werden die Ursachen, Ziele, Verluste, Strategien analysiert und kritisch gewürdigt.
Der Prophet Muhammad hat für die Muslime eindeutig eine völlig andere Bedeutung. Wie der Koran nahelegt, ist er entsandt worden «aus Barmherzigkeit für die Welten» (Koran 21,106). Die Prinzipien, die er im Bewusstsein der Muslime verkörpert, sind Gerechtigkeit, Güte und Frieden. Muhammad tritt als moralisches Vorbild hervor. Er ermutigt die Muslime nicht zum Schlechten noch stiftet er Intoleranz, sondern an ihm haben die Muslime «ein Vorbild, ein schönes» (Koran 33,21). Er ist entsandt worden, um den Charakter der Menschen zu vervollkommnen.
Behauptung 4: Muhammad ist der einzig wahre Prophet
Der Islam begreift sich wesentlich als eine Religion, welche die überlieferte Tradition des Juden- und Christentums neu formuliert. Alle drei Religionen beziehen sich auf den Stammvater Abraham. Darüber hinaus legt der Islam einen eigenen theologischen Standpunkt des Gottesbildes dar. Zum islamischen Selbstverständnis gehört die Würdigung der vorausgegangenen monotheistischen Traditionen, also des Juden- und Christentums. Der Prophet Muhammad gilt als Prophet und Gesandter, der in der Tradition einer Reihe von Propheten steht, die von Gott entsandt wurden (vgl. Koran 3,144), um das Gute zu gebieten und das Schädliche abzuwehren.
Ohne Zweifel geniesst der Prophet Muhammad eine herausragende Wertschätzung als letzter Prophet. Doch von Adam, Abraham, Hiob, Mose, Jesu und vielen anderen prophetischen Persönlichkeiten ist im Koran ausdrücklich die Rede. Sie werden ausnahmslos mit höchster Würdigung und Anerkennung bedacht – als Vorbilder, Lehrer und Wegweiser. So wird im Koran empfohlen: «Sagt: ‹Wir glauben an Gott und an das, was uns wurde herabgesandt, und was Abraham wurde herabgesandt, Ismael, Isaak, Jakob und den Stämmen, und was empfingen Mose und Jesus, und was empfingen die Propheten von ihrem Herrn. Nicht unterscheiden wir unter ihnen und Ihm wir sind ergeben.›» (Koran 2, 136).