Zoe Quinn hat ein Spiel über Depression entwickelt: «Depression Quest». Sie will sensibilisieren und Erkrankten zeigen, dass sie nicht alleine sind. Ein Spiel also ohne Action, Allmachts-Phantasien und Spass. Das ärgert eine kleine, aber laute Minderheit von selbsternannten «echten Gamern» so sehr, dass sie Zoe Quinn terrorisiert. Sie wirft der Spiel-Entwicklerin Korruption vor.
Geht es um Korruption oder Sexismus?
Zoes Ex-Freund hat ihr in einem langen und weinerlichen Blog-Beitrag Untreue vorgeworfen. Ihr vorgeworfen, sie habe mit einem Game-Journalisten ein Verhältnis gehabt, um sich positive Bewertungen für ihr Game zu erkaufen. Eine haltlose Aussage, aber unter dem Schlagwort «Gamergate» formierte sich eine Kampagne. Game-Aktivisten geben vor, Klüngeleien zwischen den Medien und der Game-Industrie aufzudecken zu wollen.
Die Aggression der Gamergate-Kampagne ist heftig. Nachdem Zoe Quinns Adresse im Internet veröffentlicht wurde und sie anonyme Morddrohungen erhielt, musste sie aus Sicherheitsgründen ihre Wohnung verlassen.
Ein Einzelfall?
Der Streit um «Depression Quest» ist nur ein Beispiel dafür, wie ein Teil der Gamer-Szene auf Frauen reagiert, die die Grenzen des Game-Genres ausweiten und die in Games vermittelten Rollenbilder infrage stellen.
Ein weiteres prominentes Beispiel ist Anita Sarkeesian. Die Medienkritikerin veröffentlicht bei YouTube eine Video-Reihe, in der sie Games auf sexistische Inhalte hin untersucht. Kürzlich hat sie einen Vortrag an einer Universität abgesagt, weil ihr ein Unbekannter mit einem Massaker drohte, wenn sie dort ihre Thesen öffentlich vertreten würde.
Muss das Rollenbild verändert werden?
Die Game-Industrie hat sich von einem Insider- zu einem Massenmedium gewandelt. Frauen machen mittlerweile einen grossen Teil der Spieler aus. Das hat Einfluss auf die Geschichten, die in Games erzählt werden, und auf die Dargestellten – denn Games sind vermehrt auch auf Frauen ausgerichtet.
Links zum Artikel
Es gibt Menschen, die sich als «wahre Gamer» verstehen und sich von diesem Wandel bedroht sehen: Sie wollen Action, Zombies, ein Ende mit Krachen und Fanfaren. Sie sehen Spielemacherinnen wie Zoe Quinn als Spielverderberinnen an.
Die Game-Industrie hat das Rollenbild jahrelang zementiert, mit Blockbuster-Produktionen wie «Call of Duty» gezielt diese «wahren Gamer» als Zielgruppe angesprochen. Noch ist das Ende der «Männer-Spiele» aber nicht in Sicht: Niemand muss befürchten, dass die Industrie in Kürze statt auf Schnellfeuerwaffen und Granaten auf Lockenentwickler und Schminkspiegel setzt.
Fazit
Die Angriffe von «Gamergate» sind nicht nur in der Art indiskutabel, sie haben auch nichts mehr mit den Gegebenheiten in der heutigen Gamer-Szene zu tun: Es gibt Spiele, die sich an Frauen richten. Die meisten Spiele richten sich aber noch immer an einen jungen, vornehmlich weissen und männlichen Gamer. Damit die Industrie neue Märkte erschliessen kann, wird sie sich neuen Erzählformen und neuen Rollenbildern öffnen müssen. Das ist ein Gewinn für alle.