Eine blühende Rose in der Einöde hinter dem Bahnhof. Dieses Bild sah der amerikanische Stararchitekt Daniel Libeskind vor sich, als er mit der Planung des Kongresszentrums von Mons begann. Tatsächlich erinnert das mehrstöckige, ovale Gebäude mit viel Holz und Glas an eine Wüstenblume. Das Kongresszentrum wurde am 9. Januar eröffnet.
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Bis auf Weiteres wird das nigelnagelneue Haus aber von einer riesigen Baustelle umgeben. Im Gegensatz zu Libeskind ist es seinem spanischen Kollegen Santiago Calatrava nicht geglückt, das neue Bahnhofsgebäude rechtzeitig zum Beginn der Feierlichkeiten im Kulturhauptstadtjahr fertigzustellen. Zugsreisende müssen deshalb einen weiten Umweg auf sich nehmen, wenn sie ins Zentrum wollen – oder für einen Besuch im Kongresshaus in einen Shuttle-Bus steigen. Daran wird sich heuer nichts ändern – die Behörden erwarten die Eröffnung des neuen Bahnhofs nicht vor Ende 2016.
Viele Baustellen, viele Museen
Gebaut wird aber auch im Stadtzentrum, wo im April fünf neue Museen ihre Türen öffnen sollen. Und die Glocken im 87 Meter hohen Belfried sind noch mindestens bis zum Frühling still. Das zum Unesco-Weltkulturerbe gehörende Wahrzeichen der Stadt – es ist der einzige barocke Glockenturm in ganz Belgien – ist in Restauration.
Die Tatsache, dass in der Kulturhauptstadt wenige Tage vor der offiziellen Eröffnung am 24. Januar noch vieles unvollendet ist, nimmt man am Hauptsitz der für die Organisation zuständigen Stiftung Mons 2015 äusserst gelassen: «Ich habe nie gesagt, wir wären mit allen Projekten rechtzeitig fertig», sagt Präsident Yves Vasseur. Schliesslich dürfe nicht ausser Acht gelassen werden, dass sich das kleine Mons mit nur gerade 90'000 Einwohnerinnen und Einwohnern mitten in einer Metamorphose befinde.
Elio di Rupo liess die Einöde aufblühen
Tatsächlich hat sich in dem wallonischen Städtchen, das 40 Zugminuten südlich von Brüssel liegt, einiges verändert. Der Reichtum der einstigen Tuchmacherstadt und späteren Minenhochburg ist zwar bis heute an den hübschen Patrizierhäusern auf der Grande Place im Zentrum zu sehen. Aber Mons ist längst verarmt und kämpft mit einer hohen Arbeitslosigkeit, wie auch der Rest von Wallonien.
Dank dem Engagement des berühmten Bürgermeisters und ehemaligen Premiers Belgiens, Elio di Rupo, hat sich das Blatt gewendet. Der Spitzenkandidat der wallonischen Sozialdemokraten sorgte dafür, dass Google Mons als Standort für eines seiner beiden grossen europäischen Datenzentren wählte. Danach kamen Microsoft und viele weitere IT-Betriebe. Sie liessen sich in der Einöde hinter dem Bahnhof und östlich vom Kongresszentrum nieder. Dank diesem «Creative Valley», wie das neue Viertel genannt wird, wurden in den letzten Jahren tausend Arbeitsplätze geschaffen.
Sonnenblumen überall
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Das Konzept dieses wallonischen Silicon-Valley habe eine nicht unbedeutende Rolle gespielt bei der Vergabe des Kulturhauptstadt-Titels, ist Stiftungspräsident Vasseur überzeugt. Dass Elio di Rupo aber auch dabei seine Hände im Spiel gehabt hatte, bestreitet dieser: «Nein, nein, das war ein objektiver Beschluss.»
So oder so kommt Mons dadurch nicht nur zu einem neuen Kongresshaus, sondern auch zu einem neuen Theater, einem Konzertsaal, einem House of Design und einem Musikzentrum. In diesen bleibenden Infrastrukturbauten und auf den Plätzen und Strassen sind für das Kulturhauptstadtjahr mehr als 300 Anlässe geplant. Einer der Höhepunkte ist eine grosse Vincent-Van-Gogh-Ausstellung. Der niederländische Maler lebte ein paar Monate in der Borinage, dem Minengebiet bei Mons. Und im Sommer wird die Grande Place zu seinen Ehren mit einem Labyrinth von 7500 echten Sonnenblumen verziert.