Wie präsent ist das Resultat von Skopje 2014, wenn man durch die Stadt geht?
Walter Müller: Das Resultat ist omnipräsent. Ich bin soeben von Skopje zurückgekehrt. Wenn man dort im Stadtzentrum steht, sieht man nichts anderes als grosse Monumente – alle blendend weiss oder bronzefarben. Das ganze Stadtzentrum ist umstellt mit neuen Gebäuden im neoklassizistischen oder barocken Stil. Gleichzeitig ist das Zentrum auch sehr eingeengt mit Bauwänden aus Wellblech und man kommt kaum noch durch.
Was wollte die Regierung denn mit dieser «Antikisierung» der Hauptstadt bezwecken?
Das Projekt Skopje 2014 ist der Ausdruck der national-konservativen Ideologie von Ministerpräsident Nikola Gruevski. Er will dem Volk eine neue Identität geben – eine neue nationale Identität. Das Projekt soll ein Volk widerspiegeln, das eine sehr lange Geschichte hat, dessen Wurzeln bis ins Altertum zurückreichen.
Wie reagierte die Bevölkerung auf den massiven Eingriff in ihr Stadtbild? Sie wurde ja nicht gefragt …
Bereits vor 2010, als das Projekt vorgestellt wurde, stellte man Statuen auf. Nun ist plötzlich das ganze Ding da – und das Volk gespalten. Jüngste Umfragen haben gezeigt, dass die Leute, die im Stadtzentrum wohnen, mehrheitlich dagegen sind. Andere finden es aber schön und haben Freude daran, dass Mazedonien endlich eine Geschichte haben soll, die sich so präsentiert.
Nun wurden Tonbandaufnahmen auf Youtube veröffentlicht, die zeigen, wie korrupt die Regierung Mazedoniens agiert und wie viel Geld dieses Projekt verschlungen haben muss. Letzten Sonntag fand die grösste Demonstration statt, die das Land je gesehen hat. Wie geht es weiter?
Das ist ziemlich unklar. Die sozialdemokratische Opposition fordert einen Rücktritt der Regierung Gruevskis. Danach soll eine Expertenregierung gebildet werden, welche die Neuwahlen vorbereitet. Ministerpräsident Gruevski weigert sich aber standhaft zurückzutreten. Er sagt, er sei ja von einer Mehrheit des Volkes gewählt worden.
Erschreckend dabei ist: Die Mitschnitte von Telefongesprächen mit Regierungsmitgliedern sowie abgehörte Gespräche von Journalisten zeigen, wie machtbesessen Gruevski und seine Entourage sind. Nur weil diese Partei den ganzen Staat von oben bis unten im Griff hat mit einem Klientelsystem, ist erklärbar, dass eine Regierung ein solches Projekt innerhalb von wenigen Jahren aus dem Boden stampfen konnte und ungefragt irgendwelchen Kulturkitsch mitten in die Stadt stellen kann.