Wie ist Ihre persönliche Bilanz der Familiensynode?
Kurt Koch: Es war ein sehr intensives Geschehen. Dass die Kirche sich nun zwei Jahre lang mit dem Thema der Familie beschäftigt hat, dass es Umfragen gegeben hat, dass viele Menschen beteiligt gewesen sind, ist meines Erachtens sehr positiv. Ein positives Zeichen, dass die Familie wieder ins Zentrum der Kirche gerückt ist und dass die Familie Zukunft hat.
Die deutschsprachigen Teilnehmer, zu denen Sie gehören, wollten eine neue Ehe-Theologie. Hatten Sie Erfolg?
Nein, die deutschsprachige Gruppe wollte keine neue Theologie. Sie haben ganz klar gesagt, dass sie die Lehre der Kirche beibehalten, aber dass sie in der Seelsorge neue Wege versuchen. Das ist in die Synode eingegeben, dann aber nicht so angenommen worden, wie es von der deutschsprachigen Gruppe gemeint war. Es wurde viel allgemeiner formuliert.
Sind Sie darüber enttäuscht?
Wäre die Synode ein Parlament, bei dem es auf Mehrheitsentscheidungen ankommt, dann könnte man enttäuscht sein. Doch die Synode versucht, in wichtigen Fragen einen Konsens zu finden und das letzte Wort hat dann der Papst. Ich bin froh, dass der Text so formuliert wurde, dass keine Türen zugegangen sind.
Eines der heissen Eisen war die Frage nach dem Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen – wie hat sich da die Synode entschieden?
Die Synode hat so formuliert, dass es «die» wiederverheirateten Geschiedenen nicht gibt, sondern dass die Situationen der wiederverheirateten Geschiedenen sehr verschieden sind und dass diesen unterschiedlichen Situationen in der seelsorgerlichen Begleitung Rechnung getragen werden soll.
Soll die Zulassung zur Kommunion für diese Gläubigen im Einzelfall möglich sein?
Das ist im Text nicht geschrieben, dass das möglich sein soll. Es ist aber auch nicht ausgeschlossen.
Sehr rätselhaft!
Anders wäre kein Konsens erreicht worden und wahrscheinlich wäre das mehrheitlich nicht angenommen worden.
Der Vorschlag der deutschsprachigen Teilnehmer war ja eine Prüfung im Einzelfall. Liess sich das nicht durchsetzen?
Das ist durchaus im Text so drin. Es ist aber nicht erwähnt, dass das der Zugang zur Kommunion ist, sondern dass die Situation je verschieden geprüft werden muss. Weiter heisst es, dass der Priester hier eine wichtige Aufgabe hat – zum Beispiel der Beichtvater – und dass vom Bischof her dann Richtlinien kommen, in welche Richtung es gehen könnte. Aber wie gesagt, die Frage ist insofern noch offen, als dass der Papst dazu noch keine Stellung genommen hat.
Warum wurde der Umgang mit homosexuellen Menschen nur am Rand besprochen?
Weil das Thema der Synode die Familie ist. Insofern ist im Dokument etwas drin, nämlich dass man Menschen, die homosexuell veranlagt sind, in den Familien begleiten soll. Und zweitens wird gesagt, dass homosexuelle Partnerschaften nicht als Ehe betrachtet werden können. Weil es um eine Familiensynode geht, hat man sich auf diese Aspekte beschränkt. Was natürlich nicht heisst, dass diese Frage nicht weiter vertieft werden muss.
Was sagen Sie zur grundsätzlichen Kritik, zölibatäre Männer sollten nicht über Themen wie Familie, Ehe und die Sexualität anderer befinden?
Jeder Bischof kommt aus einer Familie. Das ist die erste grundlegende Erfahrung, die er hat. Und jeder Bischof oder Priester, der Seelsorger ist, kennt die Situation der Familien.
Können Sie verstehen, dass diejenigen gerade auch in der Schweiz, die sich bahnbrechende Erneuerungen erhofft haben, enttäuscht sind?
Dies kann ich verstehen. Doch man sollte nicht nur sehen, was nicht möglich geworden ist, sondern auch sehen, was sich positiv bewegt hat. Zudem sollte man zur Kenntnis nehmen, dass in anderen Ortskirchen ganz andere Fragen im Vordergrund stehen: Armut, Arbeitslosigkeit, Migration, Flüchtlinge. Dies sind zentrale Herausforderungen an die Familie, die ebenso sehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit gehören wie diejenigen Postulate, die von der Schweiz gekommen sind.