«Ich weiss, was du fühlst, was du brauchst und was du magst. In Wirklichkeit weiss ich es sogar besser als du selbst». Hier spricht kein Mensch, sondern eine Maschine. Genauer: ein Algorithmus der Zukunft, wie ihn die Kommunikationswissenschaftlerin Miriam Meckel in ihrem Buch «Next» entwirft. Dieser Algorithmus kann Dinge bestellen, die wir brauchen und uns wünschen, ohne uns vorher fragen zu müssen. Leben wie im Schlaraffenland – dank Daten und Digitalisierung.
Der Zauber des Zufalls
Dass diese Utopie auch Schattenseiten hat, weiss Miriam Meckel nur zu gut. Denn wenn wir berechenbar werden, verschwindet der Zauber des Zufalls aus unserem Leben. Die Welt, die mir im Netz begegnet, wird zur Echokammer meiner Datenspur: Ich begegne nur noch dem, wovon smarte Algorithmen glauben, es sei interessant für mich. Mein Leben wird bequemer, aber auch berechenbarer. Mein Horizont wird immer enger und ich selbst werde zu einer konsumierenden Marionette, die sich andauernd bestätigt fühlt. Die Begegnungen mit dem Fremden und Irritierenden verschwinden. Und damit auch die Möglichkeiten, mir selbst fremd zu werden und mich weiterzuentwickeln.
Erweiterte Realitäten
Der nächste grosse Schritt der digitalen Welt wird Meckel zufolge die virtuelle Realität sein – genauer: die erweiterte Realität. Durch Brillen oder Linsen werden wir auf eine hybride Wirklichkeit blicken, eine schöne neue Welt, angereichert mit Informationen und Hologrammen. Der Sog der Immersion, das Eintauchen in die virtuelle Welt, wird also immer stärker. Das Künstliche wird immer echter. Zusätzlich rückt die Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine immer näher an uns heran, bald auch unter die Haut. So zumindest das Versprechen, das aus dem Silicon Valley zu hören ist, dem Labor der Zukunft, wo «Technologie als neue religiöse Lebensform» gepriesen wird, wie Meckel meint.
Mit Abstand zu sich selbst
Der Offline-Schalter wird also immer ungreifbarer – eine Tendenz, die Meckel, die vielbeschäftigte Professorin und Chefredaktorin der «WirtschaftsWoche», mit Vorsicht beobachtet. Sie erlag nämlich vor Jahren einem Burnout, das sie in ihrem Buch «Brief an mein Leben» reflektierte. Seit diesem Zusammenbruch weiss sie, wie wichtig die Distanz zum Digitalen ist. Sie ermöglicht uns nämlich, zu uns zu kommen – manchmal gerade dadurch, dass wir dem Fremden begegnen. Man sollte dem Zufall, der im Verschwinden begriffen ist, also eine Chance geben, damit er uns verzaubern kann.