Am 6. Dezember 1990 starb der Angolaner Amadeu Antonio. Tage zuvor war er von rund 50 Skinheads und Jugendlichen in Eberswalde zusammengeschlagen worden – nur wegen seiner Hautfarbe. Amadeu Antonio ist eines der ersten Opfer rassistischer Gewalttäter im wiedervereinigten Deutschland.
Nach ihm wurde die 1998 gegründete Amadeu-Antonio-Stiftung benannt. Ihr Ziel ist es bis heute, die Zivilgesellschaft zu stärken sowie Rechtsextremismus und Antisemitismus zu bekämpfen. Nach Angaben der Stiftung sind in Deutschland seit dem Fall der Mauer 178 Personen Opfer rechtsextremer Gewalt geworden.
Verunsicherung nach der deutschen Wiedervereinigung
Anetta Kahane, Mitbegründerin und Vorsitzende der Amadeu-Antonio-Stiftung, sagt, die Stimmung in Deutschland sei bei der grossen Flüchtlingswelle in den 1990er-Jahren ausländerfeindlicher gewesen als heute.
Damals habe sich Deutschland nicht als multi-ethnisches Land definiert. Ausserdem seien die Menschen wegen der Wiedervereinigung von DDR und Bundesrepublik verunsichert gewesen. Die Wende habe Auswirkungen gehabt, sagt Anetta Kahane – «auf das deutsche Selbstverständnis und auf die Frage: Wer gehört dazu und wer gehört nicht dazu?»
Heute sei es «gesellschaftlich akzeptiert, dass Deutschland nicht nur blond und blauäugig ist, sondern ein Staat, in dem Einwanderer Platz haben». Dennoch sei der Rechtsextremismus noch immer verbreitet, vor allem in Ostdeutschland.
Hinzu komme, dass der Osten Deutschlands ähnlich funktioniere wie die Südstaaten der USA: als eine Region mit traditionell wenig Industrie und traditionellem Grossgrundbesitz. Darum ziehe es Migranten nicht dahin.
Ein langsamer und mühsamer Weg
Anetta Kahane äussert sich besorgt, dass mit dem Zustrom von Flüchtlingen aus Syrien der Antisemitismus wachsen könnte. Syrer seien über Generationen antisemitisch und anti-israelisch sozialisiert worden, sagt sie. Darum werde es nicht leicht, die Menschen in eine Gesellschaft zu integrieren, die eine andere Perspektive auf Juden habe.
Die Stiftung bemühe sich langfristig um die Integration der Flüchtlinge. «Es braucht ein, zwei, drei Jahre mehr Engagement. Der Willkommensapplaus am Bahnhof reicht nicht», sagt sie. Die Gesellschaft müsse sich darauf einstellen, dass es ein langsamer und mühsamer Weg werde.