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Mädchen mit England-Hut auf dem Kopf
Legende: In nicht-anglophonen Ländern wählen die Eltern gerne englische oder amerikanische Vornamen. Keystone

Gesellschaft & Religion Mit lebenslangen Folgen: Welchen Vornamen gebe ich meinem Kind?

Jake oder Max, Hilda oder doch Peggy? Der Name begleitet ein Leben lang und verleiht Identität. Das Namenkundliche Zentrum in Leipzig hilft Ratsuchenden und beobachtet Trends in der Namengebung. Und lehnt auch mal Namen ab – zum Wohle des Kindes.

Ob klassisch wie zum Beispiel Stefan oder Melanie, modebewusst wie Jake oder Emily, exotisch wie Avram oder Kando, altmodisch wie Eduard oder Rosmarie: Wir alle haben einen Vornamen. Er sagt entweder etwas aus über unsere Herkunft oder ist mit einer religiösen Bedeutung versehen, steht für die Mode unseres Jahrgangs oder verrät einiges über unser soziales Umfeld.

Fachauskünfte und Namenberatung

Auf der Suche nach einem passenden Namen für den Nachwuchs wird man im Namenkundlichen Zentrum an der Universität Leipzig fündig. Dort erhalten Interessierte Fachauskünfte über die Herkunft und Bedeutung sowohl des Vornamens als auch des Familiennamens.

Gabriele Rodríguez ist Fachberaterin Vornamen und Gutachterin auf der Namenberatungsstelle. Rodríguez und ihr Team betreiben Nachforschungen zu umstrittenen Vornamen und stellen bei positivem Befund Gutachten zuhanden von Standesämtern und Gerichten aus. Denn manchmal gehen Eltern mit einem ausgefallenen ausländischen Vornamen oder einer sprachlichen Neuschöpfung bis vor Gericht.

Streit um zulässige Namen

In Deutschland können Eltern grundsätzlich nur jene Vornamen ins Standesamtsregister eintragen lassen, die im sogenannten «Internationalen Handbuch der Vornamen» aufgeführt sind. Bei neuen Erscheinungen entscheiden die Standesämter letztlich, o ein Vorname in Deutschland eingetragen werden darf oder nicht.

Auf Schweizer Standesämtern ist die Akzeptanz für aussergewöhnliche Vornamen grösser: Sämtliche Namen, auch neu kreierte, dürfen eingetragen werden, bei ausländisch klingenden Namen wird der Bedeutung nicht nachgegangen. Allerdings steht auch in der Schweizer Gesetzgebung, im Namensrecht der Zivilstandsverordnung (Art. 37c): Die Wahl der Vornamen ist grundsätzlich frei, jedoch dürfen die Interessen des Kindes nicht offensichtlich verletzt werden.

Jonael, Crazy Horse und Waldmeister

Gabriele Rodríguez kann bei der Beratung aus ihrer 19jährigen Erfahrung schöpfen: Sie wird pro Jahr mit über 3'000 unüblichen Namen konfrontiert. Zuletzt setzte sie sich mit den Namen Birk-Fee, Jonael oder Olisa Emeka auseinander, die sie guthiess.

Im vergangenen Jahr bekam Gabriele Rodríguez eine Anfrage zum Namen Waldmeister, ältere Anfragen betrafen die Namen Whisky und Yoghurt. Diese Vornamen musste die Namenberaterin ablehnen – im Interesse des Namensträgers, das mit solch einem Namen verletzt würde.

Ein Fall ging in die Geschichte der Namensberatung ein: Gabriele Rodríguez musste den Antrag für den Namen Crazy Horse ablehnen. «Weil man den Namen mit Bars und Kneipen assoziert – nicht jedoch mit einer Person.» Der Vorname solle «das Wohl des Kindes» sicherstellen, wie es im deutschen Namensrecht steht, und das sei bei «Crazy Horse» nicht garantiert.

Steven, Cindy oder Friedrich und Emma?

Inzwischen kann Gabriele Rodríguez bei einer Anfrage abschätzen, aus welcher Bevölkerungsschicht die Eltern kommen. So gibt es weltweit in nicht-anglophonen Ländern die Tendenz zu englischen oder amerikanischen Vornamen. Jake, Peggy, Steven, Julie oder Sam zum Beispiel. In der Regel folgen eher bildungsferne Schichten diesem Trend, sagt die Namenberaterin.

Neben dem Trend zu anglophonen Namen kehren seit etwa zehn Jahren traditionelle Vornamen in die Statistiken zurück. Insbesondere akademische Eltern besinnen sich oft auf Vornamen aus der eigenen Familiengeschichte. Dann wird zum Beispiel der Name der legendären Urur-Grossmutter an das neugeborene Töchterchen vergeben. Von Jahr zu Jahr tauchen immer wie mehr altdeutsche Namen auf wie Fritz, Ida, Wilhelm, Hilda, Otto, Emma oder Friedrich.

Ein einzigartiger Name gesucht

Während die einen Eltern einen möglichst gängigen Namen für ihr Kind wählen, gibt es eine andere Stossrichtung, die sich weltweit beobachten lässt: die Individualisierung. Nicht nur das Kind soll einzigartig sein, sondern auch sein Name.

Gabriele Rodríguez hat schon mehrfach die Anfrage bekommen, ob man ein Patent für einen neu-kreierten Namen anmelden kann, damit niemand sonst diesen Vornamen vergibt. Aber da muss die Namensberaterin ablehnen: Produktnamen kann man schützen lassen, Vornamen hingegen nicht.

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