«Anfänglich waren wir 20, zuletzt sassen rund 40 Personen am Tisch», erzählt Meret Schneider. Die Co-Präsidentin der Jungen Grünen Zürich hat im letzten Dezember eine Aktionswoche initiiert. Die Beteiligten haben sich ausschliesslich von weggeworfenen Lebensmitteln von Grossverteilern ernährt. An den gemeinsamen «Containerabendessen» wurde über neue Fundstellen und leckere Restenrezepte gefachsimpelt.
1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel landen im Müll
Schneider wollte mit ihrer Aktion auf das Problem des so genannten «Food Waste» aufmerksam machen. Gemäss einer Studie der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) werden weltweit jährlich rund 1,3 Milliarden Tonnen essbare Lebensmittel vernichtet. Das entspricht einem Drittel der weltweiten Jahresproduktion. Dabei ist dieser Verlust nicht nur ein Problem der Industrieländer. Auch in Entwicklungsländern gehen Nahrungsmittel verloren, weil sie zum Beispiel mangelhaft gelagert, verpackt oder transportiert werden.
Die Krux mit dem Haltbarkeitsdatum
In Entwicklungsländern fehlt es vor allem an der geeigneten Infrastruktur oder an Fachwissen. Aber die Lebensmittelverluste in Industrieländern sind unter anderem auf zu kurz bemessene Haltbarkeitsfristen zurückzuführen. Händler wie Verbraucher werfen noch einwandfreie Ware in den Container, weil das Haltbarkeitsdatum überschritten ist.
Das World Watch Institute schlägt deshalb vor, die Mindesthaltbarkeitsfristen zu verlängern. Doch auch die Doktrin der ofenfrischen Brötchen rund um die Uhr und der immer gleich prallen Früchte führt dazu, dass wir Essen in grossem Stil vergeuden.
Politische Aktivisten entern die Tonne
Meret Schneider findet diesen «Food Waste» skandalös. Damit steht sie nicht alleine da. Die Bewegung der «Dumpster Diver», die in die Mülltonnen steigen, um nach Essbarem zu «tauchen», erfasst immer mehr Länder.
Dabei sind es längst nicht mehr nur bedürftige Menschen, die sich vom Müll Anderer ernähren. Mehr und mehr handelt es sich um politische Aktivisten, die ein Zeichen gegen die Lebensmittelvergeudung setzen wollen. Sie «containern» bei Grossverteilern, statt einzukaufen.
Damit wollen sie einerseits an die Konsumenten appellieren, die ausschliesslich ofenfrisches Brot und knackigen Salat essen. Andererseits hoffen sie, dass die Grossverteilern in Zukunft darauf verzichten, immer mehr Produkte als übergrosse Familienpackungen anzubieten. Allzu oft landen diese halb leer gegessen im Abfall.
Lebensmittelverschwendung als Klimaproblem
Dabei geht es den «Dumpster Divern» nicht allein um den Boykott der so genannten Wegwerfgesellschaft. Die Lebensmittelverschwendung ist auch mit Blick auf den Klimawandel verheerend. Die intensive Landwirtschaft, welche die industrielle Lebensmittelproduktion heute voraussetzt, verschlingt grosse Mengen an Wasser, Dünger und Energie.
Persönlich «containert» Schneider schon länger. Und sie begibt sich damit an den Rand der Legalität. Denn einwandfreie Lebensmittel finden sich insbesondere in den Containern der Grossverteiler, also auf deren Grund und Boden. Ob es sich allerdings um Diebstahl handelt, wenn man sich Güter aneignet, die andere wegschmeissen, darüber streiten sich Juristen bis heute.
Brot mit Waschmittel verderben
Um die unliebsamen «Dumpster Diver» fernzuhalten, würden viele Grossverteiler absichtlich Waschmittel über einwandfreie Nahrungsmittel kippen, berichtet Schneider.
Einige Geschäfte würden aussortierte Lebensmittel zwar umsonst an wohltätige Vereine abgeben, wie beispielsweise an «Tischlein deck dich», die ihrerseits die Nahrungsmittel an bedürftige Personen verteilen. Dabei handle es sich aber nur um einen Bruchteil aller Lebensmittel, die in der Schweiz auf dem Müll landen.
Gesundheitlich unbedenklich
Eine Magenvergiftung hat sich Meret Schneider noch nie geholt. Für «Containerler» wie sie bestünde auch keinerlei Anlass zur Sorge, denn man rieche sofort, ob ein Joghurt, eine Packung Milch oder Obst verdorben seien. Bedauerlicherweise würden aber viele Konsumenten einem Ablaufdatum mehr trauen als ihren Sinnesorganen.