Als Pedro Lenz am Mittwochabend nach einer Lesung in Bern nach Hause zurückkehrte, informierte er sich schon unterwegs via Smartphone über Jorge Mario Bergoglio. Zuhause setzte er seine Recherchen auf den Webseiten argentinischer Zeitungen fort.
Keine konfliktfreie Beziehung
«Stimmt, mir ist es nicht egal, wer dieser Kirche vorsteht», sagt der 48jährige, der in jungen Jahren als Jugendarbeiter in einer katholischen Kirchgemeinde arbeitete und zur römisch-katholischen Kirche nach eigenen Angaben «nach wie vor eine enge, wenn auch keineswegs konfliktfreie Beziehung» hat.
Natürlich interessiere ihn die Kirche vor Ort weit mehr als die Zentrale in Rom, natürlich stünden ihm die Oltner Kapuziner, bei denen er am Sonntagabend gelegentlich den Gottesdienst besuche, viel näher als die Kurie im Vatikan – «aber es hat halt doch auch Einfluss auf die Basis, was an der Spitze der Kirche beschlossen wird.»
In den letzten Jahren sei das wenig Gutes gewesen, findet Pedro Lenz: Errungenschaften des Zweiten Vatikanischen Konzils – die Stärkung der Laien, die Demokratisierung der Kirche – seien infrage gestellt, oder gar rückgängig gemacht worden.
Der Name ist Programm
Was er aber bislang vom neuen Papst, dem bisherigen Erzbischof von Buenos Aires, gesehen, gehört und gelesen habe, stimme ihn durchaus optimistisch. «Schon nur der Name!», freut sich Lenz.
«Er hätte sich auch Johannes Paul III. nennen und sich in die konservative Tradition des polnischen Papstes stellen können.» Aber Franziskus, da sei der Name Programm, da signalisiere einer, dass er sich für die Zukurzgekommenen und für die Schöpfung engagieren wolle.
Zudem gehöre der neue Papst dem Jesuitenorden an. «Alle Jesuiten müssen zwei Studien abgeschlossen haben, damit sie nicht nur von der Welt der Kirche etwas verstehen.» Bergoglio habe nebst Theologie auch Literaturwissenschaft studiert und sei übrigens ein grosser Bewunderer des (agnostischen!) Literaten Jorge Luis Borges.
Fussballfan Franziskus
Und schliesslich stamme Papst Franziskus aus einfachen Verhältnissen: Er ist der Sohn eines aus Italien eingewanderten Eisenbahners. «Er hat keine Dünkel, das hat man schon bei seinem ersten Auftritt auf dem Petersplatz gesehen.»
Dass Bergoglio Mitglied von Atlético San Lorenzo de Almagro sei – einer von drei Fussballclubs in Buenos Aires, die in der obersten Liga spielen – und regelmässig Spiele besuche, mache ihn erst recht sympathisch. Selber ist Pedro Lenz eingefleischter Fan der Berner «Young Boys».
Hoffen auf die Überraschung
Das sind viele Vorschusslorbeeren. Trotzdem erwartet Pedro Lenz vom neuen Papst nicht, dass dieser gleich das Zölibat abschafft, das Frauenpriestertum einführt oder die Schwulenehe anerkennt.
«Aber ich hoffe, dass er mich überrascht. Dass er die Position der Laien in der Kirche stärkt, dass er die ungerechte Verteilung der Güter anprangert, dass er sich weiterhin für die Armen einsetzt. Und dass er auch laut und deutlich sagt, welches die Gründe für Armut sind.»