Vor sieben Jahren landete der damals unbekannte, erst 28jährige Journalist Roberto Saviano mit «Gomorrha» einen Welterfolg. Saviano, selber aus Neapel, beschrieb darin die Machenschaften der neapolitanischen Mafia Camorra. Er publizierte nichts bis dahin Unbekanntes, doch nannte er die Bosse schonungslos beim Namen und schaffte es, einem breiten Publikum die mörderische Logik der Camorra und ihre Vernetzung mit der legalen Wirtschaft zu erklären. Seither lebt Roberto Saviano streng vor der Mafia bewacht in Militärkasernen.
Reise ins Universum des Kokains
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Der Titel seines neuen Buchs «Zero Zero Zero» spielt auf die in Italien verbreitete Klassifizierung von Mehl an: Die beste Qualität ist mit «00» (Zero Zero) gekennzeichnet. Kokain als Mehl der besonderen Art erhält von Saviano die Bezeichnung «Zero Zero Zero».
Der Journalist und Autor nimmt die Leser mit auf eine Reise ins Universum des Kokains: Nach Mexiko zu den gewalttätigen Kartellen, nach Kolumbien zu den hungerleidenden Coca-Bauern, nach Afrika, wo Tonnen von Kokain für die europäischen Konsumenten zwischengelagert werden.
Vor allem aber erzählt Saviano, wie der gigantische, schmutzige Gewinn aus dem Kokainhandel in die legale Wirtschaft gepumpt, wie das Geld in Restaurants, Hotels oder Supermärkten investiert und gewaschen wird. Der florierende Kokainhandel, so Saviano, stützt heute die kriselnde legale Wirtschaft: Viele europäische Banken hätten sich während der Finanzkrise ohne die Kokaingelder nicht refinanzieren können.
Vorbild: Die italienische Mafia
So global das Milliardengeschäft mit Kokain ist: Mafia-Kenner Saviano unterstreicht die Bedeutung Italiens für den Handel mit dem weissen Pulver. Zum einen kontrolliert die kalabresische Mafiaorganisation 'Ndrangheta – die mächtigste kriminelle Organisation Europas – seit Jahren den europäischen Kokainhandel. Zum anderen sind die italienischen Mafien punkto Organisation und Logik Vorbilder für die südamerikanischen Drogenkartelle.
Saviano ist über einen amerikanischen Polizisten an die Audio-Aufnahme einer Rede gelangt, die ein alter Mafia-Boss in New York vor jungen südamerikanischen Kriminellen hielt. Die Rede, die Saviano in einem eindrücklichen Kapitel wiedergibt, ist nichts anderes als eine Anfänger-Lektion über den Ehrenkodex der Mafia.
Süchtig nach neuen Informationen
Wie «Gomorrha» ist auch «Zero Zero Zero», das im Nu den ersten Platz auf der italienischen Bestsellerliste erklommen hat, eine Mischung aus journalistischer Recherche und anklagendem Essay.
Roberto Saviano hält keine Distanz, sondern wirkt fast schon besessen vom Thema. Über Kokain zu schreiben sei, wie es zu konsumieren, sagt Saviano denn auch im Buch. Je mehr er wisse, desto süchtiger sei er nach neuen Informationen.
Der Autor kritisiert die internationale Politik, die zu wenig im Kampf gegen das Drogengeschäft unternehme, und er sieht nur einen Weg, das blutige Milliardengeschäft mit dem Kokain zu beenden: über die kontrollierte Abgabe von Kokain, also über dessen Legalisierung.