Als uns Achim Heger in seiner Wohnung in Riehen empfängt, sind seine Fenster sperrangelweit offen. Nicht (nur) aus Höflichkeit lüftet er sein Zuhause, sondern weil er zuvor auf seinem Smartphone eine Alarmmeldung erhalten hat: Mach die Fenster auf – die CO2-Konzentration ist zu hoch!
Achim Heger will alles ganz genau wissen und messen. Er ist begeisterter «Self-Tracker». Um seinen Schlaf zu optimieren, hat er sich gleich vier entsprechende Geräte angeschafft und getestet.
Sein Favorit ist ein Band, welches unter seiner Matratze liegt. Dieses Band sammelt im Schlaf alle relevanten Daten und übermittelt die Resultate an einen Server. Alles wird protokolliert: Wann er eingeschlafen ist, seine REM-, seine Tiefschlaf- und seine Leichtschlafphase.
Am Morgen unseres Besuches hat er nur 50 «Sleep Scores» erzielt. Könnte besser sein, heisst es dazu auf der Homepage. Kein Wunder, nach nur vier Stunden Schlaf.
Wie geht's dem Fett, dem Urin?
Weiter geht’s mit dem «tracken», dem Messen. Achim steht auf seine topmoderne Waage. Mittels WLAN wird sein Gewicht, der Fettanteil und der Puls an eine Fitness-Website übermittelt.
Achim ruft die Seite auf, gibt das Ergebnis seiner Schlafanalyse ein und beantwortet zusätzliche Fragen. «Wie geht’s dir heute?», «Welche Farbe hat dein Urin?» etc. Dann der Entscheid: Das Programm meint, Achim sei heute nicht ganz fit, er erziele nur einen Wert von 80 Prozent. Sportmachen liege drin.
Andere Programme erinnern ihn, genügend zu trinken, reichlich zu Fuss zu gehen, langsamer zu essen und richtig zu joggen.
Ich esse doch gar nicht viel
Achim Heger gehört zu einer Gruppe, die als «Self-Tracker» penibel über ihren Alltag Buch führen und alles selber messen. «Das ist wie Tagebuchführen», meint er. Regelmässig testet er verschiedene Gadgets, die den Alltag messen. Er wurde dabei oft von den Versprechungen der Hersteller enttäuscht.
Dennoch. Achim Heger macht kein Geheimnis draus, dass sein Vertrauen in die Geräte und die Softwares grösser ist als in seine eigene Intuition. «Eine Intuition kann auch täuschen», ist er überzeugt und nennt ein Beispiel. Sein Körper-Gewicht: «Mein Gefühl sagt, ich esse doch gar nicht zu viel! Aber meine Waage sagt, ich nehme zu.»
Beitrag zum Thema
Macht es mein Leben besser?
Achim Heger ist eine gesellige, sympathische und spirituell angehauchte Person. Er sei auch glücklich ohne seine Messgeräte, aber er möchte ein optimiertes, effizientes Leben führen. Und dazu brauche er seine Daten.
Angst vor einem Missbrauch der Daten hat er nicht. Gläsern zu sein, damit hat er kein Problem. «Natürlich ist es emotional nicht immer angenehm, mit den Daten umzugehen. Aber was nützt es mir, etwas nicht zu wissen? Macht es mein Leben besser? Mir ist eine unangenehme Wahrheit lieber als die barmherzige Lüge.»
Wir staunen über soviel Vertrauen in die Geräte statt in das eigene Gefühl. Auch Achim Heger weiss, dass viele über sein «Self-Tracking» nur den Kopf schütteln. Er sei ein Technikfreak, getrieben von der wissenschaftlichen Neugierde und sehe sich als Pionier der «Quantified Self»-Bewegung.
Sein Drang, alles zu messen, hat etwas Hypochondrisches an sich. Aber Achim Heger sagt, dass er sich ja nicht immer an die Empfehlungen halten muss: «Ich kann mich immer noch entscheiden, nichts zu tun. Das ist für mich eine Form von Mündigkeit.»