Herr Schaber, haben Sie Angst vor dem Sterben?
Angst nicht, aber ein gewisses Bedauern, da ich mich von Menschen und Zielen trennen muss, die mir wirklich am Herzen liegen.
Und die Schmerzen?
Ich hoffe natürlich, dass der Sterbeprozess so angenehm wie möglich ablaufen wird.
Können Sie sich vorstellen, einer Sterbehilfeorganisation beizutreten?
Ja, schon. Ich möchte mir diese Option offenhalten. Wer weiss, was auf einen zukommt und wie man sich dabei fühlen wird. Da ist man vielleicht froh, auf das Angebot zurückgreifen zu können.
Warum nicht Palliativmedizin?
Schwierig zu beurteilen, jetzt, wo es mir gut geht. Ich denke, dass viele dieser Fragen erst beantwortbar sind, wenn man sich tatsächlich in einer entsprechenden Situation befindet.
Wenn wir uns nicht in solche Situationen versetzen können, worin besteht dann der Wert von Patientenverfügungen?
Patientenverfügung haben ihre Grenzen, tatsächlich. Ich persönlich glaube, die meisten Menschen überschätzen sich, wenn sie glauben, sie wüssten, was in solch schwierigen Situationen für sie richtig sein wird.
Wie kann man überprüfen, ob eine Person wirklich sterben möchte und sich die Sache gut überlegt hat?
Wichtig sind sicherlich die Gründe, welche die Person im Gespräch anführt. Diese muss man immer vor dem Hintergrund der jeweiligen Lebensgeschichte betrachten. Zudem müssen der Sterbewunsch und die Begründung stabil sein. Sie dürfen sich nicht von heute auf morgen ändern.
Ist die Begründung legitim, man möchte anderen nicht zur Last fallen?
Das ist eine schwierige Frage. Es ist unklar, ob ein Sterbewunsch, der allein damit begründet wird, wirklich freiwillig ist. Der Grund ist sicher nicht legitim, wenn die Person bedrängt oder unter Druck gesetzt wird.
Muss die Begründung des Sterbewunsches für die Sterbehelfer immer nachvollziehbar sein?
Ja, denn diese müssen ihre Tätigkeit selber verantworten können. Und das können sie nur, wenn sie aus Gründen handeln, die sie selbst als gute Gründe ansehen.
Darf man dementen oder psychisch kranken Menschen Beihilfe zum Suizid leisten?
Bei dementen Menschen ist die Urteilsfähigkeit infrage gestellt. Ohne sie kann keine autonome Entscheidung getroffen werden. Also nein. Bei psychisch Kranken dagegen kann es Fälle geben, in denen die Beihilfe zum Suizid erlaubt ist, etwa wenn eine depressive Person eine akute Phase überstanden hat und sich aus wohlerwogenen Gründen fürs Sterben entscheidet.
Ist der assistierte Suizid also auch für gesunde Menschen moralisch zulässig – etwa, wenn jemand findet «Ich hatte ein schönes Leben, jetzt aber möchte ich sterben»?
Ja, etwa wenn eine Person meint, sie könne kein würdevolles Leben mehr führen und stattdessen das Sterben vorzieht. Oder auch, weil jemand «lebensmüde» ist und sich für einen so genannten «Bilanzsuizid» entscheidet. Aber auch da müssen nachvollziehbare Gründe vorliegen.
Darf man fürs Sterben auch in ein anderes Land reisen – etwa von England in die Schweiz? Sehen Sie im Sterbetourismus ein Problem?
Ethisch sehe ich da kein Problem, sofern die Abklärungsgespräche korrekt ablaufen und die Sorgfaltspflichten wahrgenommen werden.
Warum ist die Schweiz in Sachen Sterbebegleitung eher liberal, aber wenn es um die Reproduktionsmedizin geht, sind wir eher konservativ?
Länder und Kulturen sind heterogen, manchmal sogar widersprüchlich. In England ist es genau umgekehrt. In Deutschland diskutiert man die Fragen nochmal anders, vor dem Hintergrund der Euthanasiemorde während der NS-Zeit. Das müsste man jeweils historisch und soziologisch rekonstruieren.
Was halten Sie von der Behauptung, der gesellschaftliche Druck auf ältere Menschen würde zunehmen – in Richtung «Sei fit oder stirb»?
Dafür gibt es meines Wissens keine empirischen Belege. Viel naheliegender ist, dass die Generation der 68er langsam in die Jahre kommt und die Selbstbestimmung für diese Menschen sehr wichtig ist. Sie wollen nicht nur über ihr Leben, sondern auch über ihr Sterben selber bestimmen.
Kann dieses selbstbestimmte Sterben für die Angehörigen zu einer Last werden?
Ja, das kann sehr wohl der Fall sein. Denn es geht hier immerhin um Leben und Tod – und man selbst hat als Angehöriger durch Gespräche und Ratschläge einen gewissen Einfluss.
Zudem liegt einem die Person in der Regel stark am Herzen. Ich selbst kenne einen Fall, wo sich die Kinder zerstritten haben, weil sie nicht einer Meinung waren. Mittlerweile ist das Verhältnis aber wieder in Ordnung.