Ein Kongresszentrum im Ufo-Stil, ein Hochhaus in Form einer Pyramide, ein Hotel mit einer Silhouette wie aus einem Science-Fiction-Film – in Afrika würde man solch futuristisch anmutende Architektur nicht unbedingt vermuten. Doch es gab gute Gründe: Allein im Jahr 1960 löste sich mehr als ein Dutzend Staaten südlich der Sahara von ihren Kolonisatoren. Die Architektur wurde gezielt als Mittel eingesetzt, um diesen Staaten ein progressives Image zu verpassen.
Es entstanden ambitionierte Regierungs- und Konferenzgebäude, Universitäten, Nationalmuseen, Sportstadien, Flughäfen und Hotels. Ein Geist der Hoffnung wurde aufgebaut.
Die grösste Kirche der Welt
Das Vitra Design Museum zeigt jetzt mehr als 800 Fotos, dazu Pläne, Entwürfe und historisches Material von über 80 Bauten aus Kenia, der Elfenbeinküste, Sambia, Ghana und dem Senegal. Zusammengestellt hat die Schau der Basler Architekt Manuel Herz.
Noch heute zeugen diese architektonischen Monumente vom Grössenwahn und Optimismus, vom Überschwang und Stolz der 1960er-Jahre. Zum Beispiel in Yamoussokro, der Hauptstadt der Elfenbeinküste: Zwölfspurige Autobahnen führen vorbei an protzigen Regierungsgebäuden. Der Präsident, der in dem einstmals kleinen Ort geboren wurde, hatte es so gewollt. Auch die grösste Kirche der Welt steht hier in der Savanne, als Muster diente der Petersdom in Rom.
Auf Augenhöhe mit dem Westen
Alles scheint hier eine Nummer zu gross. Denn der eigentliche Puls des Landes schlägt 250 Kilometer südlich in der Hafenstadt Abidjan, dem wirtschaftlichen Zentrum des Landes, dessen Elite korrupt bis auf die Knochen ist. Dass sich an dieser Architektur auch die Widersprüchlichkeiten des Unabhängigkeitsprozesses ablesen lassen, macht sie brisant. Denn die Architekten kamen selten aus Afrika selbst, sondern aus Skandinavien, Osteuropa, Israel oder aus den Ländern der ehemaligen Kolonialmächte. Deshalb stellt sich die Frage, ob dieses Entwickeln einer neuen nationalen Identität auch eine Projektion von aussen war.
Die Architektur wollte einerseits auf Augenhöhe mit dem Westen sein. Andererseits musste sie an die klimatischen Bedingungen Schwarzafrikas angepasst sein. So entstanden imposante Bauten, die auf wunderbare Weise mit der Ausdruckskraft von Materialität umgehen: expressiv und experimentell, einzigartig in ihrer Zeit.
Ein Bogen aus Beton
Regional ist diese Architektur sehr unterschiedlich ausgeprägt. In Sambia gibt es Ziegelbauten wie sonst nirgendwo in Afrika. Kenianische Architektur wirkt durch gitterartige Fassadenstrukturen oft erstaunlich luftig und transparent.
Manche Bauten sind regelrechte Manifeste. Über dem riesigen Unabhängigkeitsplatz der ghanaischen Hauptstadt Accra spannt sich ein gewaltiger Bogen aus Beton triumphal und hoffnungsvoll in den Himmel. Doch das Bauwerk ist seit Jahren gesperrt, der rissige Beton bröckelt trostlos vor sich hin.
Der Aufbau Afrikas geht weiter
Tatsächlich haben sich die Verheissungen dieser Bauwerke oftmals nicht erfüllt. Viele sind Symbole gescheiterter Hoffnungen. Architektur in politischer Mission ist freilich immer problematisch. Die Zeit um 1960 war eine «kostbare Konstellation», wie der Architekt Manuel Herz es nennt. Und eine Chance, die in der Dauerkrise des schwarzen Kontinents bemerkenswerte Spuren hinterlassen hat. Der Aufbau Afrikas aber nimmt die Architekten auch weiter in die Pflicht.