Die Zucchetti ist zwar mit dem Bio-Label versehen, wird aber in Marokko angebaut. Wie soll der Kunde da noch Vertrauen in das Produkt haben, geschweige denn sich damit identifizieren?
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«Nicht nur möglichst regional und bio müssen Lebensmittel sein. Der Kunde hat auch ein Bewusstsein für faire Arbeitsbedingungen», sagt Trendforscherin Mirjam Hauser vom Gottlieb Duttweiler Institut (GDI) in Rüschlikon. Welche Werte vertritt der Produzent? Wie behandelt er seine Tiere? – solche Fragen wirken heute mit beim Kaufentscheid.
Unzufriedene Schweizer
«Fair Trade» ist für alle ein Begriff, Nachhaltigkeit eine Erwartung. «Die Zufriedenheit der Schweizer mit der Ernährung von heute hat weiter stark abgenommen. Man ist in keiner Weise optimistisch, was die weitere Entwicklung des Angebots angeht», schreibt Mirjam Hauser im neusten GDI-Food-Trend-Report.
Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Blickte vor zwei Jahren noch fast jeder dritte Schweizer positiv in die Ernährungszukunft, ist heute nur noch jeder fünfte zuversichtlich. Fukushima und gefälschte Produkteinfos sind schuld, dass das Vertrauen in Produzenten, Händler und ihre Produkte geradezu verschwunden ist.
Romantik bevorzugt
Der Handel bietet «Science», also massenproduzierte Ware – der Kunde sehnt sich als Reaktion darauf nach «Romance». Oder anders gesagt: Statt Bio-Rüebli aus Marokko will er das Gemüse vom Bauern aus der Region.
«Keiner versteht mehr, was, wie und wo produziert wurde», so Hauser. Man suche wieder das Einfache, das Echte. Oder wie es der junge Bäcker Jens Jung aus Zürich formuliert: «In meinem von Hand gekneteten Brot findet der Kunde eine emotionale Heimat. Wenn die Kruste beim Anschneiden knackt, wenn er das Brot schmeckt. Dann denkt er an früher. An Mutters Zvieribrot.» Eine Emotion, die stärker ist als jede Ratio. «Es ist das Intuitive und Sinnliche. Es ist Tradition und Ritual», sagt Mirjam Hauser.
Das Brot, das «singend» aus dem Ofen kommt
Der Kunde will alles nachvollziehen und verstehen können. Wenn er in Jens Jungs Bäckerei «John Baker» sieht, wie der Bäcker die Hefe selber zieht, wie er aus einer Handvoll Zutaten (Mehl, Wasser, Salz, Hefe) einen Teig formt, diesem zwei Tage lang Zeit gibt, um Aroma und Struktur zu entwickeln. Und dieser dann geformt, geruht und gebacken wird, und noch «singend» aus dem Ofen in die Auslage kommt. Dann wird alles geliefert, wonach sich der Kunde sehnt: Authentizität und Nachvollziehbarkeit.
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Eine Erfahrung, die auch der Kartoffelbauer Marcel Heinrich auf seinem Bio-Bauernhof «La Sorts» im Albulatal macht. Zu seinen Kunden zählt er gut situierte Hobby-Gourmets genauso wie alte Leute aus dem Tal. «Die alten Menschen sind glücklich, finden sie bei mir wieder die Parli oder Rösseler. Es sind Sorten, mit denen sie aufgewachsen sind.»
Neue alte Wertvostellungen
Verschiedene Generationen finden hier eine Gemeinsamkeit. Und setzen auf die gleiche Wertigkeit. Denn Heinrichs Kartoffeln werden von Hand geerntet. Der Bauer besucht seine Kartoffelpflanzen mehrmals täglich, um zu sehen, ob sie gesund auf dem Feld wachsen.
«Diese neuen Food-Unternehmer sind eine Generation, die in ihrem Leben alle Möglichkeiten hatten. Und jetzt der Gesellschaft wieder etwas Wertiges zurückgeben möchten», erklärt Mirjam Hauser.
Grossverteiler hinken nach
Nachhaltigkeit steht dabei weit über dem Profit. «Sie produzieren traditionelle Produkte, präsentieren diese aber modern.» Beim Online-Geschäft «Farmy» etwa kann der Kunde rund um die Uhr Bio-Produkte aus der Region bestellen, die ihm am nächsten Tag nach Hause geliefert werden.
Grossverteiler stehen damit unter Druck und reagieren ansatzweise auf die Kundenskepsis. Sie lancieren regionale Produktelinien, mit einem i-Phone-Scan kann die Herkunft der Bio-Eier noch am Gestell erfasst werden. Offenbar geht das dem Kunden aber noch zu wenig weit.
«Das gute Produkt» wird also neu definiert. Die Nachhaltigkeit zieht weitere Kreise. Und schliesst den Menschen, der es produziert und konsumiert, mit ein.