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Gesellschaft & Religion Wer hat Angst vor dem Front National?

Die «Entdämonisierung»-Strategie der rechtsextremen Parteichefin Marine Le Pen ist aufgegangen: Der Front National erscheint heute vielen Franzosen als eine Partei wie jede andere. Auch die französische Mittelschicht findet zunehmend Gefallen an der nationalistisch-rassistischen Propaganda.

Tragende Stimme, geschliffene Sprache – Marine Le Pen ist eine geschickte Rednerin mit schauspielerischem Gespür für Tempo und Pausen, den richtigen Ton, die passenden Gesten. Mal säuselt die kunstblonde Ex-Anwältin ihren Text mit Charme, dann wieder schiebt die Politikerin ihr Kinn vor, rattert minutenlang scharfe Wortsalven, schwingt dazu ihre geballte Faust.

Lichtgestalt des Front National

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Auszug aus Marine Le Pens Rede auf dem Parteikongress in La Baule
aus Kontext vom 22.01.2013.
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Doch die breite Palette der Selbstdarstellerin Le Pen kontrastiert mit dem mageren Inhalt ihrer Rede: Immigrantenflut, Islam, die Diktatur Brüssels, Kriminalität. Es sind die alten Front National-Themen. Die Politikerin übernimmt sie nahtlos von ihrem Vater und Parteimitgründer Jean-Marie Le Pen. Neu sind nur die aggressiven antikapitalistischen Töne, die sie immer wieder anschlägt. Dann hetzt die Parteichefin gegen die Brüsseler Kapitalistenlobby, beschuldigt Banken und Konzernbosse Frankreichs Arbeiter zu knechten und nennt sie «goldene Faschisten».

FN-Hochburg Südfrankreich

Der Anteil der Front National-Wähler ist in ländlichen Regionen deutlich höher als in Frankreichs Grossstädten. Rekordergebnisse erzielt der FN im Süden Frankreichs. Vor allem die konservative Region Provence-Alpes-Cote-d’Azur mit ihren fünf Millionen Einwohnern gilt als Front National-Gebiet. In diesem Teil Frankreichs  will Marine Le Pen bei den Kommunalwahlen im März 2014 beweisen, dass der Front National das Zeug zur Volkspartei hat.

Front National will das Rathaus von Carpentras erobern

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FN-Wähler: «Il faut arrêter de diaboliser le Front National»
aus Kontext vom 22.01.2013.
abspielen. Laufzeit 27 Sekunden.

Obst und Gemüse, Wein und Olivenöl oder Lavendel - trotz der rüden Konkurrenz anderer EU-Länder sichern die typisch provenzalischen Produkte der industriearmen Region noch immer zahlreichen Menschen das Einkommen. In Carpentras und Umgebung hängen knapp 20 Prozent der Arbeitsplätze von der lokalen Agrar- und Lebensmittelproduktion ab. Ein konservatives Frankreich, das mit viel Misstrauen, manchmal Verachtung auf die Regierungspolitik aus dem fernen Paris reagiert.

Das Selbstvertrauen der FN-Lokalpolitiker wächst

Im Kanton Carpentras wurde der rechtsextreme Generalrat Patrick Bassot mit  mehr als die Hälfte der Wählerstimmen ins Amt gewählt. Er steht am Tresen einer kleinen Bar gegenüber dem Rathaus. Der Politiker mit dem klobigen goldenen Siegelring packt den Würfelzucker aus, lässt ihn in seine Espressotasse plumpsen. Er schwärmt: In Carpentras läuft es für ihn und seine Partei so gut wie nie.

Bürgerrechtler in Alarmstimmung

Diese Enwicklung macht einigen Bürgern wie Bernard Senet Sorgen. Er ist Vorsitzender der Antirassismus-Initiative und seit 35 Jahren Arzt in Velleron, einer 3000-Seelengemeinde in der sanft hügeligen Landschaft südlich von Carpentras. Der Mann mit den schlohweissen Haaren geht voraus, durch einen dunklen Flur, auf die Terrasse an der Rückseite seines Hauses. Er setzt sich an den schmiedeeisernen Gartentisch. Marine Le Pen habe den rassistischen Diskurs der Rechtsextremen salonfähig gemacht. Kaum jemand störe sich noch daran, wenn Lokalpolitiker heute offen gegen Muslime und Immigranten aus Nordafrika hetzen.

Taktieren und Paktieren

Aber Farid Faryssy, der Lokalpolitiker mit dem arabischen Namen, fühlt sich nicht als Opfer. Der junge Sozialist aus Carpentras will Chancengleichheit, jungen Franzosen nordafrikanischer Herkunft Mut machen. Zwar hat er spürbar an Überzeugungskraft verloren – nach dem Sieg der Front-National-Kandidatin bei den letzten Parlamentswahlen wurde Faryssy aus seinem Amt als stellvertretender Bürgermeister gejagt – mit Schimpf und Schande, vom Bürgermeister seiner eigenen Partei.

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