«Wäre ich ein Roboter, wollte ich in Japan leben», sagt Rolf Pfeifer. Die Schweizer Robotik-Koryphäe wohnt heute in Osaka. «In der Schweiz ist Technologie-Skeptizismus verbreitet», sagt der emeritierte Robotik-Professor der Universität Zürich. «In Japan kennt man das nicht.»
Jahrzehntelang forschte er im Bereich künstliche Intelligenz und studierte die soziale Interaktion zwischen Mensch und Maschine. Die Japaner seien deshalb so offen gegenüber Robotern, weil auch Dinge für sie beseelt seien, so Pfeifer.
Diese Haltung gründet im Shintoismus, einer vorwiegend in Japan praktizierten Religion, die nicht nur Menschen, sondern auch Tieren und eben auch Gegenständen eine göttliche Seele zuspricht. Wohl auch deshalb zögern Japaner nicht, Maschinen zu bauen, die immer menschenähnlicher werden.
Mein Freund, der Roboter
Industrie-Roboter, die bei der Morgengymnastik der Fabrikarbeiter mitmachen – in Japan ist das Realität. Für Tadahiro Kawada, Verwaltungsrats-Präsident des Robotik-Unternehmens Kawada Industries, soll dieses Ritual zeigen, dass Roboter Teil des Teams seien.
Roboter seien in Japan zudem meist Freunde der Menschen. Monster-Kreaturen wie Frankenstein oder Terminator fehlten in seinem Land. «Seit ich ein kleiner Jungs bin, schaue ich Roboterfilme», sagt Tadahiro Kawada. «Sie sind darin meist die Helden, welche das Böse besiegen». Angst vor Robotern wird so nicht geschürt.
Roboter anstatt Einwanderer
Die Akzeptanz von Robotern kommt auch einem viel profaneren Sachverhalt zugute: Das Land leidet unter Überalterung, die Bevölkerung schrumpft. Immer mehr Arbeitskräfte fehlen. Es ist das Resultat einer rigorosen Einwanderungspolitik.
Die fortschreitende Automatisierung in vielen Bereichen der Arbeitswelt ist in Japan deshalb eine willkommene Möglichkeit, das fehlende Personal zu ersetzen. Auch deshalb sind Roboter die Verkörperung des Guten – die Retter der Wirtschaft sozusagen.
Roboter als bessere Menschen
Auch in der Alterspflege sind Roboter in Japan im Einsatz: beispielsweise um behinderte Menschen zu tragen, aber auch als süsse Roboter-Robben, die mit Demenzpatienten kommunizieren.
Der berühmteste Humanoiden-Forscher Japans, Hiroshi Ishiguro von der Universität Osaka, sieht Roboter in diesen Bereichen gar als bessere Gesprächspartner: «Manchmal können Menschen einander nicht vertrauen. Vor allem Ältere sind misstrauisch gegenüber anderen Menschen. Gegenüber Robotern sind sie es nicht».
Ishiguro forscht an Humanoiden, also menschenähnlichen Robotern. Unter anderem hat er einen Klon von sich selbst hergestellt.
Dieser könne an seiner Stelle auf der ganzen Welt Vorlesungen halten, und er könne sich damit ersetzbar machen. Hiroshi Ishiguros Worte sind mehr als nur Provokation: Von der Japanischen Regierung erhält er Millionenbeträge für seine Forschung.