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Blick auf die Dienstwaffe am Gürtel eines Polizisten.
Legende: Wie martialisch sollen Polizisten auf der Strasse auftreten? Eine Frage, die den Basler Polizeivorsteher beschäftigt. Keystone

Gesellschaft & Religion Wieviel Polizei wollen wir?

Wie soll sich die Polizei verhalten, wenn die Menschen nach Vorfällen wie in Paris mehr Angst haben? Soll sie mit Maschinenpistolen patrouillieren, oder schürt das die Angst erst recht? Der Basler Polizeivorsteher Baschi Dürr über die schwierige Balance zwischen Autorität und Vertrauenswürdigkeit.

Baschi Dürr, spüren Sie bei der Polizei, dass die Bevölkerung nach den Vorfällen der letzten Zeit mehr Angst hat?

Das ist schwierig zu messen. Wir spüren, dass Sicherheitsthemen wichtiger werden. Und wir stellen fest, dass die Polizei akzeptierter ist als auch schon. Wenn wir irgendwo eingreifen müssen, geht nicht mehr gleich rundherum Kritik los. Man ist froh, dass wir vor Ort sind.

Spüren Sie nach den Vorfällen in Köln jetzt im Zusammenhang mit der Fasnacht in Basel eine besondere Angst oder Nervosität?

Nein. Die Fasnacht findet bei uns ja schon seit Jahrhunderten statt. Die Zusammenarbeit zwischen Sicherheitskräften und den Fasnachtskomitees ist sehr gut eingespielt. Sicher diskutieren wir gewisse Fragen jetzt etwas detaillierter. Aber solange es keine ganz konkreten Anhaltspunkte gibt, dass sich irgendwo eine Lage verschärft, machen wir nicht einfach auf Vorrat mehr als bisher.

Sie rechnen also mit dem Fall, dass nichts passiert?

Selbstverständlich kann an der Fasnacht immer etwas passieren. Auch wir sind in einer offenen Gesellschaft nie vor ganz grässlichen Ereignissen wie in Paris gefeit. Aber wir wären schlecht beraten, nun komplett anders zu funktionieren, als wir bisher funktioniert haben, im grossen und ganzen ja auch mit Erfolg.

Zur Person

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Legende: Keystone

Der FDP-Politiker Baschi Dürr ist seit 2013 als Regierungsrat Vorsteher des Justiz- und Sicherheitsdepartements der Stadt Basel. Davor war Dürr auch Leiter der Basler Filiale der PR-Agentur Farner, arbeitete als Mediensprecher beim Healthcare-Unternehmen Hoffmann-La Roche und war Mitarbeiter der Wirtschaftsredaktion der Neuen Zürcher Zeitung.

Haben Sie nach den Ereignissen in Köln nicht sofort gedacht, dass es nun Handlungsbedarf gibt?

Wir nehmen solche Ereignisse ernst. Aber ohne falsche Erwartungshaltung, dass man nun einfach per se mehr machen müsste. Hinterher weiss man immer alles zu 100 Prozent, vorher nur bis zu einem gewissen Grad. In diesem Spannungsfeld befindet sich die Polizei, das war schon immer so.

Wie gehen Sie mit allgemeinen Ängsten in der Bevölkerung um?

Die Aufgabe der Polizei ist es, ganz faktisch und operativ für Sicherheit zu sorgen: Wir markieren Präsenz, verfolgen Kriminelle, machen Präventionsarbeit. Der andere Teil ist die Kommunikation mit der Bevölkerung. Wir versuchen, nicht unnötig Ängste zu schüren, wollen aber auch nichts schönsprechen. Andererseits sage ich auch immer: Wenn sich jemand in einer Situation ängstlich fühlt, ist die Angst nicht unberechtigt. Es ist nicht an uns, diese Angst mit Statistiken auszureden.

Wie finden Sie die Balance, dass nicht ein Zuviel an Polizei auf eine herrschende Bedrohungslage deutet?

Diese Themen treiben uns sehr um im Moment. Nach den Vorfällen in Paris gab es anderswo plötzlich Patrouillen mit Maschinenpistolen. Wir haben bewusst darauf verzichtet. Solange es keinen konkreten Handlungsbedarf gibt, rüsten wir die Leute nicht anders aus, nur um den Eindruck zu erwecken, dass wir mehr machen würden als sonst.

Beschäftigt sich die Polizei auch mit dem so genannten Sicherheitsparadox? Es besagt: Je mehr Sicherheit man bietet, desto mehr Angst kriegen die Leute.

Da gibt es verschiedene Theorien, einige widersprechen sich. Ich bin eher dafür, die Präsenz zu erhöhen. Grundsätzlich ist es wichtig, dass man einander kennt. Die Polizei ist ja nicht einfach eine Besatzungsmacht mit irgendwelchen Paramilitärs, die plötzlich irgendwo auftauchen. Unsere Leute sind mit Namen angeschrieben, man kann sich an einzelne Personen wenden, die man im Quartier persönlich kennt.

Die Polizei soll auch in der Bevölkerung verankert sein. Wir nehmen deshalb als eines der wenigen Polizeicorps auch Ausländer auf und haben einen hohen Frauenanteil. Die Vielfalt im Corps ist wichtig, damit wir nicht eine abgeschottete Kaste sind. Und es bewährt sich auch auf der Strasse: Je mehr die Polizei statistisch die Bevölkerung widerspiegelt, desto grösser ist das Vertrauen, desto mehr sorgt auch ein eine verstärkte Präsenz an Polizei für ein besseres Sicherheitsgefühl.

Blick auf einen Helm aus Filz, vorne ein silbernes Kennzeichen mit der Aufschrift "Metropolitan Police".
Legende: Einst aus England auch nach Basel importiert: der Bobbyhelm der Polizei in London. Imago/Paul Marriott

Polizisten unterscheiden sich aber doch von der Bevölkerung, indem sie eine Waffe tragen.

Auch das ist immer wieder ein Thema bei uns. Vor 80 Jahren hatte die Polizei in Basel einen schlechten Ruf, galt eher als Schlägertruppe. Der damalige Polizeivorsteher führte dann neue Uniformen mit Bobby-Helmen aus England ein, was tatsächlich einen Kulturwandel mit sich brachte.

Auch wir diskutieren immer wieder, wie martialisch wir auftreten sollen. Im Ordnungsdienst haben wir nun eine neue Uniform, die gibt auch optisch etwas her. Das ist gerade bei Fussballspielen wichtig, für uns in Basel sind diese eine grosse Herausforderung. Natürlich braucht es eine andere Uniform, wenn die Polizei in einem Kindergarten über Verkehrsregeln referiert.

Und wieso möchten Sie die Präsenz der Polizei erhöhen? Ist die Lage unsicherer geworden?

Die Kriminalität geht gemäss der Anzeigenstatistik runter, die Jahre zuvor gingen die Zahlen aber auch deutlich hinauf. Höher geworden ist sicher die Anspruchshaltung an die Polizei, wie auch an den Staat generell: Bei jedem auch kleineren Problem wird erwartet, dass sehr schnell sehr viele Polizisten vor Ort sind. Befindet man sich auf der anderen Seite, – zum Beispiel bei einer Parkbusse – ist die Akzeptanz erwartungsgemäss kleiner. Da gibt es ein Paradox: Einerseits ist die Meinung verbreitet, der Staat werde immer grösser und teurer; gleichzeitig wollen viele aber auch immer mehr von ihm.

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