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Gesellschaft & Religion Wir alle spenden unsere Daten und das soll sich auszahlen

Bessern Facebook oder Geheimdienste schon bald unser Einkommen auf? Wenn es nach dem US-Internet-Pionier Jaron Lanier geht, durchaus. In seinem neuen Buch «Wem gehört die Zukunft?» fordert der eigenwillige Denker Geld von grossen Internetfirmen für die Daten, die sie von ihren Nutzern erhalten.

Es gibt selten Menschen, die während eines Gesprächs so oft lachen, wie Jaron Lanier. Dabei hat der Koloss von einem Mann eigentlich keinen wirklichen Grund dazu. In seinem neusten Buch «Wem gehört die Zukunft?» malt der Computerwissenschaftler aus dem Silicon Valley ein düsteres Bild: Das Internet sei eine Bedrohung für die Mittelschicht.

Grund ist das Informationszeitalter, das zunehmend alle Branchen der Wirtschaft erfasst. Unzählige Arbeitsplätze würden in den kommenden Jahren vernichtet. Die meisten Jobs sieht Lanier bei der Mittelschicht in Gefahr. Roboter treten an die Stelle von Menschen oder Arbeitsschritte, die bisher von Menschen ausgeführt wurden, fallen gleich ganz weg – wie im Falle von Fotofilm-Hersteller Kodak.

Jason Lanier mit langen Rastalocken.
Legende: Ein «Internet-Hippie»: Computerwissenschaftler Jaron Lanier. Keystone

Kodak beschäftigte bis zur Jahrtausendwende weltweit zehntausende Mitarbeiter. Dann raffte die Digitalisierung das 1888 gegründete Unternehmen buchstäblich dahin. Heute ist Kodak bedeutungslos. Die Foto-App Instagram ist sozusagen das Kodak des 21. Jahrhunderts. Das Unternehmen erwirtschaftet Milliarden, beschäftigt aber nur etwas mehr als ein Dutzend Mitarbeiter.

Lockende «Sirenenserver»

Das sei genau das Problem, sagt Lanier. Grosse Unternehmen beschäftigten wenige Mitarbeiter, verdienten aber Milliarden und konzentrierten Macht und Kapital. Lanier nennt solche neo-bourgeoisen Unternehmen «Sirenenserver». Er bedient sich in der griechischen Mythologie: Die Sirenen sind weibliche Fabelwesen, die durch ihren betörenden Gesang Seemänner anlocken, um sie zu töten.

Deren Analogie im 21. Jahrhundert seien mächtige Internetfirmen wie Facebook, Apple oder Google, so Lanier. Diese «Sirenen» locken die Nutzer mit kostenlosen Angeboten, um an ihre persönlichen Daten zu gelangen.

Wir sind alles «Daten-Spender»

Diese Unternehmen verfügen über leistungsstarke Computer und sind in der Lage, die Daten in Algorithmen zu speisen. Datenbanken erstellen in Sekundenbruchteilen Nutzer-Profile und individuelle Werbung.

Audio
Jaron Lanier: Vom Internet-Guru zum Kritiker
aus Kultur kompakt vom 14.02.2014.
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 10 Sekunden.

Es sei ein Milliardenmarkt, in dem der «Daten-Spender» zum ökonomischen Versager degradiert würde, sagt Lanier. «Dabei sind es ja gerade Menschen, die hinter den Daten stehen und die Geschäftsgrundlage dieser Unternehmen bilden.»

Lanier schlägt in seinem Buch ein Zahlungssystem vor. «Die Sirenenserver sollen ihre Nutzer mit Nanozahlungen für die Daten entschädigen». Dank eines solchen Entschädigungssystems könnten künftig ganze Gesellschaftsschichten «oberhalb der Armutsgrenze leben».

Der Querdenker geht sogar noch einen Schritt weiter. Wer überwacht wird, soll auch von Geheimdiensten einen kleinen «Lohn» erhalten. «Das geht natürlich nur bei Leuten, denen keine kriminellen Absichten nachgewiesen werden».

«Maschinen können die Probleme der Menschheit nicht lösen»

Buch-Hinweis

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Jaron Lanier: «Wem gehört die Zukunft?». Hoffman und Campe, 2014

Apropos Geheimdienste: Die Abhörpraktiken der NSA, die vergangenen Sommer an die Öffentlichkeit kamen, haben selbst Lanier überrascht. Teilweise zumindest. «Der technologische Fortschritt hat es nach 9/11 einfach ermöglicht, grössere Datenmengen zu bewältigen». Die Leute bei der NSA hätten geglaubt, ein grosses Überwachungssystem garantiere automatisch mehr Sicherheit. «Das ist falsch und illusorisch».

Technologie garantiere nie mehr Sicherheit. «Die einzige Möglichkeit, Sicherheit zu schaffen und Probleme zu lösen, besteht darin, wenn Menschen miteinander reden». Es sei eine Illusion, Maschinen könnten die Probleme der Menschheit lösen. «Das war genau der Fehler bei der NSA».

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