Diskriminierung kann tödlich sein. 200 Millionen Mädchen mussten laut Schätzungen der UNO sterben, weil sie abgetrieben wurden, ausgesetzt oder bei der Erziehung vernachlässigt. Diese tiefsitzende Diskriminierung könne man stoppen, glaubt die renommierte Harvard-Verhaltensökonomin Iris Bohnet – und zwar durch smarte Anpassungen in Wirtschaft und Politik.
Vorbilder wirken Wunder
So zeige eine Studie aus Indien, dass bessere Jobaussichten für Frauen dafür sorgen, dass Eltern sich liebevoller um ihre Töchter kümmern und sie weniger vernachlässigen. Mit einer Frauenquote für Bürgermeisterinnen konnte in indischen Dörfern bewirkt werden, dass Frauen vermehrt in der Politik mitmischen möchten. Neue Fakten schaffen neue Vorbilder – «seeing is believing», meint Bohnet.
Mit Vorhängen gegen Diskriminierung
Auch hierzulande werden Frauen in der Arbeitswelt diskriminiert: Sie haben schlechtere Karten bei der Bewerbung, tiefere Löhne und kleinere Aufstiegschancen. Die in Luzern aufgewachsene Iris Bohnet sagt, die Benachteiligung von Frauen beginne in unseren Köpfen. Wir bevorzugen Männer, ohne uns dessen bewusst zu sein. Zudem würden wir kompetente Frauen für weniger liebenswert halten.
Um dieses verzerrte Denken zu ändern, müsse man die Spielregeln anpassen. Was das bedeutet, macht sie am Beispiel der Musik klar: In den 1970er-Jahren haben US-amerikanische Orchester angefangen, Bewerberinnen und Bewerber hinter einem Vorhang vorspielen zu lassen. Das Geschlecht und das Aussehen spielte also keine Rolle. Diese kleine Änderung trieb den Frauenanteil in Orchestern von damals 5 Prozent auf heute 40 Prozent.
Wie man Vorurteile austrickst
Beiträge zum Thema
Bohnet schlägt in Ihrem druckfrischen Buch «What Works. Gender Equality by Design» nun ähnliche Massnahmen für Unternehmen vor. So fordert sie Bewerbungsverfahren mit anonymisierten Unterlagen, ohne Namen und Foto. Die anschliessenden Bewerbungsgespräche sollten strukturiert sein, mit einheitlichen und vorformulierten Fragen.
Ansonsten spricht der Chef mit dem Bewerber schnell mal über Fussball, findet ihn sympathisch und gibt ihm den Job. Auch sollte man die Bewerber nie fragen: «Worin sehen Sie Ihre Stärken und Schwächen?» Die Forschung zeige nämlich: Frauen schätzen sich selbst schlechter ein als Männer. Mit Regeln dieser Art liesse sich schon vieles verändern.
Gleichstellung lohnt sich
Die gefragte Verhaltensökonomin und CS-Verwaltungsrätin engagiert sich für Gleichstellung nicht nur, weil es sich dabei um ein Menschenrecht handelt. Gleichstellung zahlt sich auch für die Unternehmen aus. Studien zeigen nämlich: Gemischte Teams schneiden im Durchschnitt besser ab als homogene Gruppen. Die Wirtschaft hat hier also ein Interesse an Moral. Das lässt hoffen.
Doch nicht nur die Wirtschaft, auch die Politik müsse über die Bücher, meint die zweifache Mutter Iris Bohnet. Insbesondere, wenn es um Themen wie Teilzeitarbeit und Elternurlaub gehe. Denn solange aus Sicht der Arbeitgeber nur bei Frauen der Mutterschaftsurlaub droht, bei Männern aber nicht, werden Unternehmen auch weiterhin Männern den Vortritt lassen.