Was muss eine Frau mitbringen, um Präsidentin der USA zu werden? Mit dieser Frage reiste Laura Liswood in den 90er-Jahren rund um die Welt, zu den mächtigsten Politikerinnen.
Sie sprach mit der britischen Premierministerin Margret Thatcher, aber auch mit Vigdís Finnbogadóttir, der Präsidentin von Island und der ersten Frau, die zum Staatsoberhaupt eines Landes gewählt wurde. Mit ihr zusammen gründete Liswood 1997 den «Council of Women World Leaders», einen Rat der weltweit führenden Politikerinnen.
Hyperkritische und oberflächliche Beurteilungen
Darin vertreten sind neben Angela Merkel und Theresa May auch Schweizer Bundesrätinnen, etwa Simonetta Sommaruga. Sie alle würden ähnliche Erfahrungen machen, meint Liswood: «Frauen in Führungspositionen werden hyperkritisch und oberflächlich beurteilt».
Im Fokus stehe das Aussehen, die Frisur, die Kleidung. Und wenn Frauen einen Fehler machen, dann heisse es sofort: typisch. Hinzu kommt: Wenn Frauen selbstbewusst auftreten, wirken sie oft aggressiv und unsympathisch.
Wie Studien gezeigt haben, sind viele dieser Vorurteile unbewusst und tief verankert. Was also kann man dagegen tun?
Die Spielregeln müssen sich ändern
Zunächst sollte man sich klarmachen, dass der Prozess der Gleichstellung der Geschlechter Zeit braucht. Bis zur weltweiten Gleichstellung von Mann und Frau dauert es voraussichtlich noch über 200 Jahre. So die Prognose des «Global Gender Gap Reports», des Gleichstellungsberichts, der jährlich vom Weltwirtschaftsforum (WEF) erstellt wird.
Wer die «Geschichte beschleunigen» möchte, muss die Spielregeln ändern, meint Laura Liswood, in der Wirtschaft ebenso wie in der Politik. Es brauche etwa eine gesetzliche Quote für Frauen an Spitzenpositionen.
Eine «dicke Schicht von Männern»
Ausgehend von Norwegen haben bereits viele EU-Länder eine solche gesetzliche Frauenquote für Aufsichtsräte und Parlamente. Dadurch schaffe man weibliche Vorbilder und durchbreche männliche Netzwerke – das, was oft als «gläserne Decke» bezeichnet wird.
Liswood selbst spricht lieber von einer «dicken Schicht von Männern». Klar ist: Einzelne Männern werden durch die Frauenquote benachteiligt, aber für Frauen ist Benachteiligung die Regel.
Zudem haben Studien gezeigt: Unternehmen und Regierungen mit gemischten Teams arbeiten erfolgreicher. Während Männer eher die kurzfristigen Auswirkungen berücksichtigen, würden Frauen die langfristigen Folgen sehen, meint Liswood. Und Frauen sind in der Regel aufmerksamer.
Quote allein reicht nicht
Liswood verdeutlich das mit einem Bild: Wenn ein Elefant und eine Maus in einem Raum sind, dann wird die Maus mehr über den Elefanten wissen als dieser über sie. Denn ohne dieses Wissen kann die Maus nicht überleben. Der Elefant dagegen schon.
Liswood weiss, dass eine Quote allein nicht helfen wird. Um echte Gleichstellung zu erreichen, müssen tiefsitzende Stereotype und Vorurteile durchbrochen werden. Ob dafür 200 Jahre tatsächlich reichen werden, ist unklar.