Wie Pilze schiessen sie derweil aus dem Boden: Inserate von «alten» Thermomix-Modellen auf Ebay. Alle wollen den Alten loswerden. Um Platz zu machen für den neuen.
Der neue ist der Thermomix TM7 – knapp 1700 Franken teuer. Optisch kann man sich seine Verwandlung vorstellen wie bei Anne Hathaway in «Plötzlich Prinzessin». Hässliches Entlein, jetzt Schwan. Nur dass der neue jetzt eben schwarz und nicht mehr weiss ist.
Die Werbung, besser als für jeden neuen Sportwagen.
Royal war dann auch der Reveal. Sie lesen richtig: Das neue Küchengerät des Herstellers «Vorwerk» wurde in Berlin nicht nur «vorgestellt», es wurde enthüllt. Wie ein neues iPhone. Die Videos der Feierlichkeiten fluten die sozialen Medien: Mega-Bildschirme, Lichtshow, Standing Ovation, Frauengeschrei.
Der neue sei «so schön wie nie zuvor», sagt mir der Trailer. Der gerippte Thermomix dreht sich langsam um seine eigene Achse. Als wüsste er selbst, es lohnt sich, innezuhalten und sein Antlitz zu bestaunen. Die Werbung, besser als für jeden neuen Sportwagen.
Auf Instagram macht das bissige Bonmot die Runde, nur alternde Thermomix-Tanjas aus der Provinz feierten das Gerät. Bei mehr als einer halben Million Google-Suchanfragen diese Woche in Deutschland können das nicht nur Tanjas gewesen sein.
Ich, keine «Thermi»-Inhaberin, rufe bei Freundinnen an. Alles Thermomix-Kennerinnen. Freundin Nummer eins erklärt mir, wie der Küchengott funktioniert. Er ist die maschinengewordene eierlegende Wollmilchsau. Er kann zerkleinern, mixen, entsaften, kochen, kneten, wiegen, dampfgaren. Alles in einem. Der «Thermi» diktiert das Rezept, der Laie führt aus.
Zeit spare man. Aber abwaschen muss man auch hier, denke ich. Das Gerät habe ihre bayrische Kindheit geprägt. «Jede Mama hatte einen Thermomix. Die Kürbissuppen bei den Freundinnen? Sie schmeckte immer genau gleich.» Heute? Hat sie auch einen TM6. Das Risotto werde perfekt.
Zeig mir, was in deiner Küche steht, und ich sage dir, wer du bist.
Freundin zwei schwärmt von der Thermomix-Vertreterin, die bei ihr zu Hause vorbeikam. Zusammen zauberten sie Brokkolisalat, Poulet-Reis und Glacé.
Die Thermomix-Community ist eingeschworen und exklusiv. Früher war der «Thermi» nur durch Vertreter zu erwerben. Heute auch im Online-Shop. Mehr als 600'000 Thermomix-Jünger folgen dem deutschen Instagram-Kanal.
Freundin Nummer drei geht es wie mir. Sie hat (noch) keinen Thermomix. «Je öfter ich die Werbung schaue, desto mehr will ich ihn haben.» Sie ist die beste Köchin, die ich kenne. Weder sie noch ich brauchen das Ding. Wieso lüstern wir danach? Weil diese immer ästhetischer werdenden Küchengeräte Statussymbole sind. Sie brauchen zwar viel Platz, lassen sich aber gut präsentieren.
Niemand will mehr die Frau am Herd sein, aber schöne Töpfe haben allemal.
Der Thermomix, die Kitchen-Aid oder der Air-Fryer: Sie sind ein Teil von uns. Es gibt sie in vielen Farben. Sie sollen in die Ästhetik meiner Küche passen. Zeig mir, was in deiner Küche steht, und ich sage dir, wer du bist.
Freundin drei schickt mir ein Foto ihres Regals – mittendrin steht ihr hübscher «Le Creuset»-Topf. Gusseisentöpfe gibt es etliche – aber der ist hübsch. Den will man zeigen. Nur «Le Creuset» bringt zusammen mit Pokémon eine Linie raus. Oder Töpfe in Herzform.
Niemand will mehr die Frau am Herd sein, aber schöne Töpfe haben allemal. Oder jetzt halt eben einen neuen Thermomix.