Der Benediktinermönch, Zen-Meister und Brückenbauer zwischen verschiedenen Religionen David Steindl-Rast wird dieses Jahr 98 Jahre alt. Obwohl er einst von zwölf Kindern träumte, trat er mit 27 Jahren ins Kloster ein. Um sich mit den grossen Fragen des Lebens zu beschäftigen und «den Tod allezeit vor Augen zu haben».
Denn das ist es, was der Gründer des Benediktinerordens, der heilige Benedikt von Nursia, einst – das heisst vor über 1500 Jahren – in seiner Ordensregel als Hinweis zu einem sinnvollen Leben niederschrieb.
Der glückliche Augenblick
Leben, als könnte jeder Tag der letzte sein. «Der einzige Moment, wo man wirklich glücklich sein kann, ist der gegenwärtige Augenblick.» Sonst strebe man immer nur dem Glück nach oder bedaure, dass man das Glück nicht mehr habe.
Das klingt mehr nach Achtsamkeitskurs, als nach Katholizismus. Es gibt denn auch Stimmen, die Steindl-Rast dafür kritisieren, dass er nicht besonders katholisch linientreu sei. Probleme mit der Glaubenskongregation habe er jedoch noch nie bekommen, sagte er mal lächelnd abwinkend.
Grosses Geheimnis des Lebens
Wiederholt hat sich Steindl-Rast deshalb auch als Einsiedler zurückgezogen. Eine Konfrontation mit dem «grossen Geheimnis des Lebens» sei dies gewesen. Dass es ihm hierbei nicht um eine Welt- oder Realitätsflucht geht, wird schnell klar.
Diese Konfrontation soll nicht irgendwo anders, «sondern im Zähneputzen, im Gehen, im Sitzen, im Vor-sich-Hinträumen» geschehen und kann deshalb in jedem Leben gelebt werden.
Wie privilegiert er jedoch ist, dies in einem klösterlichen Rahmen zu tun, weiss Steindl-Rast ganz genau. Sein Lebensthema ist auch die Dankbarkeit, die er gerne als Spiritualität bezeichnet, die nicht von Religion abhänge.
Sein TED-Talk zu diesem Thema wurde millionenfach angeklickt und auch die Talkmasterin Oprah Winfrey wollte von Steindl-Rast wissen, wie man Dankbarkeit lernen könne.
Dem Leben vertrauen
Dankbarkeit ist für ihn die wichtigste menschliche Haltung, die gerade auch im Unglück zentral ist. Was dahinter liege, sei ein unerschütterliches Lebensvertrauen. «Wenn wir dem Leben vertrauen, brauchen wir gar nicht ausdrücklich an Dankbarkeit zu denken oder das Wort in den Mund zu nehmen», erklärt er.
Wenn wir dem Leben nicht entsprechend begegnen, sei alles schon sinnlos und zu Ende, so Steindl-Rast. «Was ich jedem Menschen am meisten wünsche, ist Lebensvertrauen. Denn das Gegenteil ist die Hölle auf Erden.»
Um dies in sich zu entwickeln, empfiehlt er, jeden Augenblick genau hinzuschauen und sich zu fragen: «Was schenkt mir das Leben jetzt, in diesem Moment?»
Mit dem Dalai Lama per Du
Steindl-Rast ist aber nicht nur schriftstellender Mönch. Damit begann er erst im Alter von 60 Jahren. Der Österreicher ist auch promovierter Psychologe. Der Abt seines Hauptklosters in den USA bat ihn in den 1960er-Jahren zudem, sich für den interreligiösen Dialog zu engagieren.
Es folgten Gespräche mit dem Dalai Lama, Thich Nhat Hanh und schliesslich gar das «Center for Spiritual Studies», das er zusammen mit Buddhisten, Hindus, Sufis und Rabbinern gründete.
Auch in der Schweiz wirkte er: Mit Vanja Palmers gründete er die Stiftung «Felsentor» auf der Rigi. Jüngst nahm er sich überdies zusammen mit dem Berner Musiker Balts Nill dem Daodejing, der Sprüchesammlung des Laotse, an.