Wer die Verwicklungen der Eidgenossenschaft in den brutalen Dreissigjährigen Krieg (1618-1648) besser verstehen will, muss ihn kennenlernen: Den Berner Hans Ludwig von Erlach (1595-1650).
Er war erfolgreicher Militärunternehmer und Kommandeur in so unterschiedlichen Diensten, dass einem der Kopf schwirrt: Er hat in diversen deutschen Truppen gedient, unter den Schweden, und zuletzt als Generalleutnant des französischen Heeres. Mit seinem vorzüglichen Beziehungsnetz hat er eine atemberaubende Karriere hingelegt und sehr viel Geld verdient.
Ein Schloss für die Familie
Ehrwürdig thront das Schloss Kasteln auf einem Hügel oberhalb von Schinznach im Kanton Aargau. Hier residierte Hans Ludwig von Erlach mit seiner Familie – wenn er nicht gerade irgendwo im Reich für eine Kriegspartei des Dreissigjährigen Krieges am Rand eines Schlachtfeldes stand.
So eindrücklich von Erlachs Schloss ob Schinznach wirkt: Die prunkvolle Innenausstattung ist leider nicht erhalten. Heute ist Kasteln ein prächtig gelegenes, aber funktional ausgestattetes Schulheim.
Mehrere Jahre amtete der Adlige von Erlach auch in Bern als Ratsherr. Im Sommer lebte er in Kasteln und im Winter in einem Palais in Basel – noch heute heisst das Haus in der St. Johannsvorstadt «Erlacherhof». Doch das Militär war und blieb auch hierzulande sein Hauptgeschäft.
Das Geschäft des Militärunternehmers
Von Erlach war mit finanzstarken Handelshäusern und Bankiers bestens vernetzt. Gemäss dem Historiker Philippe Rogger hat er mit seinen Geschäftspartnern aus Augsburg, Schaffhausen, Lyon, Basel und St. Gallen transnationale Finanz- und Kreditgeschäfte sowie Handel mit Kriegsmaterial betrieben.
Allerdings blieben für die Rückzahlung dieser Kredite die Soldgelder aus Paris bisweilen aus, und von Erlach musste auch mal mit seinem Privatvermögen einspringen. Leider sind diese Tätigkeiten noch kaum wissenschaftlich untersucht: In der Berner Burgerbibliothek warten über 100 Bände mit Briefen und Akten aus seinem Nachlass darauf, aufgearbeitet zu werden.
Ein wichtiger Player
Philippe Rogger untersucht diesen Bestand nun im Rahmen eines Nationalfondsprojektes der Universität Bern. So viel lässt sich bereits sagen über Hans Ludwig von Erlach: Er war als Militärunternehmer ein wichtiger Player im Dreissigjährigen Krieg.
Er hob Truppen aus, kommandierte Festungen und grosse Verbände. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere stand er als Generalleutnant und Stellvertreter des Marschalls an der Spitze des französischen Militärs und befehligte das französische Heer im Heiligen römischen Reich deutscher Nation.
Die Akten zu Hans Ludwig von Erlach, aber auch die Nachlässe anderer Militärunternehmerfamilien wie der von Salis aus Graubünden, geben Aufschluss darüber, wie deren Geschäftsmodelle aussahen. Und auch, welche politische Wirkung der Solddienst für die Eidgenossenschaft hatte.
Jenseits der Konfessionen
Der Typus solcher Militärunternehmer war zur Zeit des Dreissigjährigen Krieges verbreitet. Die von ihnen ausgehobenen Söldnertruppen gaben dem Kriegsgeschehen immer wieder neuen Schub. Denn diese Truppen mussten beschäftigt und versorgt werden. Oft geschah dies durch ausgreifende Plünderung ganzer Städte und Landstriche.
Die Militärunternehmer handelten häufig jenseits ihrer eigenen konfessionellen Zugehörigkeit. Das zeigt das Beispiel des Calvinisten Hans de Witte: Er versorgte als Kaufmann und Banker Wallenstein, den General des Kaisers, mit Krediten.
Im neuen Doku-Drama «Glauben, Leben, Sterben – Menschen im Dreissigjährigen Krieg» wird er als raffinierter, aber auch skrupelloser Kaufmann geschildert, der zuletzt ein tragisches Ende nimmt. Auch Hans Ludwig von Erlach hinderte seine protestantische Konfession nicht daran, unter einem katholischen König militärische Karriere zu machen.
Parallelen zu heute?
Das Interesse an dieser Form von Militärunternehmertum ist heute wieder gross. In den asymmetrischen Kriegen, etwa im Kongo, in Irak oder Syrien, sind private Söldnerfirmen und brutal wütende «warlords» unterwegs. Doch die 400 Jahre zwischen Hans Ludwig von Erlach und «Blackwater», mahnt der Historiker Philippe Rogger, lassen Vergleiche nur bedingt zu.