Wie geht es mit Grossveranstaltungen weiter? Der Bund will das Veranstaltungsverbot aufgrund der aktuellen Corona-Zahlen eventuell bis März nächsten Jahres verlängern. Diese Nachricht erfuhr die Kulturbranche aus Medienberichten – nicht von der Politik direkt. Anders beim Sport, wo Verbände über weitere Massnahmen und Unterstützungen vom Bund informiert wurden.
Alex Meszmer, Geschäftsleiter des Verbandes Suisseculture, der sich für Kultur- und Medienschaffende in der Schweiz einsetzt, spricht über dieses Missverhältnis und warum es jetzt an der Zeit sei, das Kulturverständnis zu überdenken.
SRF: Die Corona-Krise hat die gesamte Wirtschaft hart getroffen. Haben Sie da nicht Verständnis, dass der Bund – sehr provokativ gesagt – vor allem offensichtlich systemrelevante Bereiche unterstützt?
Alex Meszmer: Er muss allen unter die Arme greifen. Die Massnahmen werden vom Bundesrat gesetzt, dementsprechend geht es um eine Hilfe für alle. Da sollte es keine Ausnahmen geben.
Der Bereich Sport kann sich in Bern besser Gehör verschaffen als die Kultur. Die Kultur scheint keine grosse Unterstützung zu haben. Wer lobbyiert überhaupt im Parlament für die Kulturbranche?
Es ist allgemein schwierig, für die Kultur Lobby zu betreiben. Uns fehlen personelle und finanzielle Ressourcen. Der Sport hat ganz andere Möglichkeiten.
Im Wesentlichen sind es aber die Kulturverbände, die ihre Anliegen einbringen: Vertreter von Kulturschaffenden, Institutionen, Veranstalter.
Das war eine einmalige Sache, dass so viel Kulturverbände zusammengearbeitet haben.
Im Rückblick auf die letzten Wochen bin ich sehr stolz, dass wir es mit der «Taskforce Culture» – einem sehr spontanen Zusammenschluss von verschiedensten Kulturverbänden – geschafft haben, eine Stellungnahme für das neue Covid-19 Gesetz zu erarbeiten, das 84 Verbänden gemeinsam unterschrieben haben. Das war eine einmalige Sache, dass so viel Kulturverbände zusammengearbeitet haben.
Würden Sie denn sagen, die Kultur selbst hat sich genug um Unterstützung bemüht?
Das Schwierige ist, dass man nur kurzfristig reagieren konnte. Es gab keine Möglichkeit, eine langfristige Strategie zu entwickeln. Überhaupt war das Nachdenken schlichtweg nicht möglich, weil man sofort reagieren musste.
Jetzt wollen wir über den Corona-Rand hinausschauen und festlegen, wohin wir wollen. Wir brauchen eine Revitalisierung der Kultur nach der Corona-Krise. Dazu gehört auch eine Diskussion über den Kulturbegriff.
Was fordert die Kulturbranche jetzt ganz konkret von der Politik?
Dass das Covid-19 Gesetz angenommen wird. Dieses beinhaltet eine Verlängerung der Massnahmen, die der Bundesrat beschlossen hat. Wir brauchen eine Planungssicherheit, sowohl für Nothilfe, Ausfall, Entschädigung und auch für mögliche Förderungen der Zukunft.
Auf der anderen Seite ist es wichtig, dass die Kultur, wenn das Gesetz angenommen wird, überhaupt Bestandteil des Gesetzes bleibt. Da sind natürlich noch viele Forderungen und Einzelmassnahmen, die dazugehören.
Wenn man etwas Gutes aus dieser Krise herausnehmen könnte, dann ist es dieses Zusammenspannen.
Man könnte aber auch sagen, die Krise hat auch was Positives. Es ist der Branche nun bewusst geworden, wie wichtig ein professionelles Lobbying ist.
Wissen tun wir das schon lange. Es braucht manchmal einfach einen Anlass, um alle zusammenzubringen und auf der anderen Seite auch Gehör zu bekommen. Wenn man etwas Gutes aus dieser Krise herausnehmen könnte, dann ist es dieses Zusammenspannen.
Die Krise zeigte, wo die Schwierigkeiten liegen, was die Ursachen sind. Jetzt gilt es, das aufzuarbeiten und in Zukunft anders zu lösen.
Ich glaube, dass es sehr notwendig ist, in der Schweiz eine Diskussion über den Kulturbegriff zu führen und über das Kulturverständnis. Es herrscht zuweilen noch das Verständnis, dass Kultur ein Luxus ist, etwas für die Elite. Das ist nicht der Fall, was aber nicht auf allen Ebenen der Politik angekommen ist.
Sie würden also sagen, Kultur ist auch systemrelevant?
Absolut. Kultur ist die Basis, der Kitt der Gesellschaft. Kultur ist eigentlich die Grundlage für unser ganzes Zusammenleben. Ich finde, wie systemrelevant sie ist, das haben wir in den letzten Wochen und Monaten gesehen, vor allem in der Zeit, als es noch sehr starke Beschränkungen gab. Was haben wir gemacht? Wir haben Bücher gelesen, Filme geschaut. Und das Angebot von Serien und Musik im Internet angenommen, das Kulturschaffende – teilweise kostenlos – geteilt haben.
Das Gespräch führte Romana Costa.