Es gibt nicht mehr viel Anlass für Optimismus – zumindest, was das Klima angeht. Das sagen Klimaexpertinnen und -experten, aber auch renommierte Historiker wie Philipp Blom.
Er hat sich in seinem neuesten Buch mit den historischen Anfängen des Klimadebakels auseinandergesetzt.
Klimasünder Adam und Eva
Angefangen habe alles mit Adam und Eva – einmal mehr. Zumindest fänden wir im Schöpfungsbericht der Genesis jenen verhängnisvollen Satz, der noch bis heute wirkmächtig sei.
Gemeint ist der göttliche Auftrag, sich die Erde untertan zu machen: «Wir alle sind in diese absurde Idee hineingeboren, dass wir über und ausserhalb der Natur stehen. Durch die Klimakatastrophe lernen wir, wie falsch diese Idee ist.»
Klimasünderin Bibel also? Jein, dieses Gedankengut war schon eher vorhanden, im Gilgamesch-Epos zum Beispiel, der ältesten schriftlich überlieferten Erzählung der Menschheitsgeschichte. Doch erst durch die Bibel hätte es Verbreitung gefunden, so Philipp Blom.
Die mythologische Atombombe
Die Unterwerfungsideologie sei längst Teil des Gewebes der Gesellschaft geworden und diente nicht zuletzt den europäischen Kolonialistinnen und Kolonialisten als Leitfaden, die Welt zu erobern.
Deshalb nennt Blom den biblischen Satz auch eine mythologische Atombombe. Denn gingen wir in die Welt zurück, bevor dieser Satz niedergeschrieben wurde, fänden wir eine Welt, die animistisch geprägt sei.
Oder anders gesagt: «Wollte man in See stechen, musste man Poseidon opfern, sonst gab es einen Sturm oder eine Flaute und man kam nicht weiter. Und wollte man ein Feld aussäen, brauchte es vielleicht ein Ritual, um die Geister zu besänftigen.»
Der arrogante Primat
Auch wenn dies alles symbolische Handlungen seien, erkennen sie an, dass wir in einem Geflecht von Kräften stünden, mit denen ein Umgang zu finden ist. Dort setzt Blom an. Er will zwar keinesfalls zurück in eine polytheistische oder animistische Welt, aber er fordert eine Denkrevolution.
«Wir müssen beginnen, diese 3000 Jahre Kulturgeschichte hinter uns zu lassen.» Der Homo sapiens – denn nichts mehr sei der Mensch – müsse endlich einsehen, dass er ein Primat sei, der sich selbst hoffnungslos überschätzt. «Wir sind für uns selbst zwar wichtig, aber für die Natur vernachlässigbar. Würden Pilze oder Ameisen aussterben, würden ganze Systeme zusammenbrechen.»
Für eine artgerechte Haltung
Blom fordert deshalb, dass der Mensch sich als Teil eines «chaotischen Systems» begreift, das Bäume kommunizieren lässt, aber auch beispielsweise den menschlichen Metabolismus steuert.
Wenn man dieses Denken erst mal verinnerlicht habe, finde der Klimawandel eben nicht «irgendwo da draussen» statt, sondern wir seien alle ein Teil von ihm.
Von gesellschaftlichen Utopien hält der Historiker wenig. Aber eine «artgerechtere Haltung für den Homo sapiens» sollten wir schon hinkriegen, meint Blom zum Schluss. Für ihn hiesse das: weniger Konkurrenz und weniger Profit – dafür ein menschlicheres Gesicht einer kapitalistischen Gesellschaft.