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Bild 1 von 5. Ankommen, aufatmen, auftanken: Pendlerin Lara Stoll am Zürcher Hauptbahnhof. Bildquelle: SRF/Julian Salinas.
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Bild 2 von 5. Was dürfen Pendler, was nicht? Lara Stoll hat für den HörPunkt «Glückliche Pendler» einen Pendler-Knigge verfasst. Bildquelle: SRF/Julian Salinas.
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Bild 3 von 5. Im Pendlerstrom: Lara Stoll nimmt im Hauptbahnhof die Ladenpassage, die für die neue Durchmesserlinie gebaut wurde, unter die Lupe. Bildquelle: SRF/Julian Salinas.
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Bild 4 von 5. Die Slam-Poetin ist eine gutmütige Pendlerin: Nichtsollen sollen Mitreisende ihrer Meinung nach eigentlich nichts. Bildquelle: SRF/Julian Salinas.
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Bild 5 von 5. Der Spinat-Smoothie aus der neuen Ladenpassage trübt die Stimmung: Für Lara Stoll ist es an der Zeit, an die Erdoberfläche zurückzukehren. Bildquelle: SRF/Julian Salinas.
Pendeln kann vieles sein: Zeit um zu sich zu kommen, Zeit um zu hassen, Zeit um zu schwelgen, Zeit um in sein Smartphone zu starren, Zeit um zu schlafen. Das muss ich Ihnen ja aber nicht alles aufzählen, Sie sind ja nicht dumm und wissen selbst am besten wie Sie ihre Zeit verbringen, wenn Sie von Sirnach nach Müllheim dümpeln oder von Altstetten nach Oerlikon «durchmessern». Wir alle wissen auch, was man beim Pendeln soll und was man nicht soll. Nichtsollen soll man meiner Meinung nach nichts. Aber ich bin auch gegen Zensur und gegen ein Hiltl an der Langstrasse und Biss-Attacken im Fussball.
Das feuchte Polsterscharmützel
Meine Zug-Knigge-Latte liegt tief, trotzdem gibt es natürlich Verhaltensweisen, die Ihnen beim Zugfahren keine Freunde einbringen. Drängeln beim Einsteigen, nackte Füsse auf dem Nebensitz (in diesem Fall ist die Situation jedoch wesentlich vom visuellen und olfaktorischen Zustand des Exemplars abhängig), Döner-Trauerspiel – auch «das feuchte Polsterscharmützel» genannt, pausenlose Husten-Attacken, Telefon-Sirenen (hier werden gleich zweierlei Sachen zusammengefasst: 1. ohrentraktierende Klingeltöne und 2. Menschen mit defizitärem Lautstärke-Feingefühl), Furzen, Unkluge Eltern (Kleinkindern erst Süssigkeiten geben und sie dann herumrennen lassen) und natürlich allgemein alle Arten von betrunkenen Teenagern (in Gruppen schlimmer als einzeln).
Dies alles kann und soll bei einer erfolgreichen Zugreise möglichst vermieden werden. In Ordnung, ich beklage mich nicht, wenn es so sein sollte, dass ich mich am Ende meiner Reise nicht voller Cocktailsauce, Schokoladenflecken und Viren aus dem Zug begeben kann, dann ist mir das wirklich mehr als Recht.
Die stille Verbrüderung der Bünzli
Trotzdem, finde ich, soll man ja noch Mensch sein dürfen. Wenn nun einer, sagen wir Neo-Hippie A, seine leicht dreckigen aber nicht pathologisch duftenden Patschen neben jemand anderem, sagen wir Früh-Rentner B, platziert und Früh-Rentner B, oder gar unterforderte Hausfrau C, die das Abteil ebenfalls mit ihrer Anwesenheit bereichert, sofort ein riesen Büro deswegen aufmacht, dann kommen mir die Schweissperlen.
Dieses überbünzlige Anstandstheater ist mir wirklich ein Rätsel. Die «unausgesprochene Empörung» ist mir aber beinahe noch unheimlicher. Oftmals suchen sich diejenigen, die sich von diesen «No-Gos» provoziert fühlen, Verbündete. Versuchen Blickkontakt zu anderen Passagieren herzustellen um Bestätigung zu erhalten, dies mündet dann nicht selten in einem stillen, entrüsteten Kopfschütteln zweier Unbekannter, wegen einem blanken Fuss. Da kommt der Schweizer aus sich raus, da hat er gerne Kontakt mit Fremden, wenn er sich empören kann.
Aber nun gut, besser vielleicht, man sagt etwas wenn’s einem nicht passt, so ein Magengeschwür ist schliesslich auch nicht ohne. Falls Sie jemals neben mir sitzen sollten, dürfen Sie jedenfalls tun und lassen was immer Sie wollen. Ausser die betrunkenen Teenager, die dann doch lieber nicht. Und die Kinder, die auch nicht. Ich wünsche Ihnen gutes Reisen.