In diesem Jahr feiert die Pendlerzeitung «20 Minuten» ihr 15-jähriges Bestehen. Die Verleger sehen sich als Retter des Printjournalismus und erreichen gleichzeitig eine junge und kaufkräftige Leserschaft. Mark Eisenegger, hätten Sie gedacht, dass sich diese Zeitung so lange und vor allem so erfolgreich hält?
Mark Eisenegger: Der Erfolg von «20 Minuten» – nach diesem extremen Verdrängungskampf zwischen den Verlagen – ist bemerkenswert. Von mehreren Titeln wie «Metropol», «.ch», «News» oder «Zürich Express» sind nur «Blick am Abend» und «20 Minuten» übriggeblieben. Der Erfolg dieser beiden Zeitungen zeigt, dass Gratiszeitungen ein Bedürfnis der Leserinnen und Leser befriedigen. Ich bin aber skeptisch, ob dieses Bedürfnis unsere Gesellschaft weiterbringt.
Immerhin werden die Pendlerzeitungen täglich von über drei Millionen Menschen gelesen ...
Das ist genau das Problem! Wir haben uns zu stark an sie gewöhnt – insbesondere die junge Generation kennt keine Qualitätszeitungen mehr. Für diesen negativen Gewöhnungseffekt muss man sensibilisieren.
Warum? Was stört Sie an den Pendlerzeitungen?
Moderne Gesellschaften sind auf relevante Informationen angewiesen, nur so kann die Demokratie funktionieren. Die Untersuchungen für unser Jahrbuch haben ergeben, dass in «Blick am Abend» und «20 Minuten» der Unterhaltungsanteil weit überdurchschnittlich vorhanden ist.
Relevante Informationen sind – wenn überhaupt – nur ein Anhängsel. Ein Beispiel: Am 1. Oktober 2013 wurden US-amerikanische Beamte in die Zwangsferien geschickt. Dieser Shutdown war das Thema des Tages. Was war die Titelstory von «20 Minuten»? Intimoperationen bei Jugendlichen …
Immerhin lesen Jugendliche überhaupt eine Zeitung. Zählt dieses Argument nicht?
Es bringt der Gesellschaft wenig, wenn Zeitungen gelesen werden, die nur episodisch berichten ohne Einordnung. Die jungen Leser werden damit bei der Interpretation einer schwierigen Welt alleine gelassen.
Wie hoch ist bei den Jugendlichen die Bereitschaft, für eine Zeitung ein Abo zu bezahlen?
Die Schranke ist sehr hoch. Ein Problem ist, dass Zeitungen wie der «Tages-Anzeiger» oder die «Neue Zürcher Zeitung» bei den nachwachsenden Alterskohorten keine Statusobjekte mehr sind.
Wie wollen Sie das korrigieren?
Ein zentrales Mittel ist die Aufklärungsarbeit. Wir müssen uns darum bemühen, dass die Bildungsstätten das Thema aufgreifen. Die Jugendlichen müssen begreifen, dass die Medien fundamental wichtige Funktionen erfüllen. Über die Medien werden Werte vermittelt und wichtige Themen unserer Gesellschaft debattiert. Medien sind das Lebenselixier modern aufgeklärter Gesellschaften. Dieses Bewusstsein ist mit der Gratiskultur on- und offline in den Hintergrund gerückt.