«Das ist Hanna. Sie ist Biologin. Sie schreibt an ihrer Doktorarbeit. Ihr Vertrag bei der Universität ist auf drei Jahre befristet. Er wurde jetzt um weitere drei Jahre verlängert.»
So fängt das Erklärvideo des deutschen Bundesministeriums für Bildung und Forschung an. Mit dem 2-minütigen Trickfilm sollte mit der fiktiven Biologie-Doktorandin Hanna das «Wissenschaftszeitvertragsgesetz» anschaulich erklärt werden.
Im Video wird gezeigt, wie die Anstellungsbedingungen und die Rechte im Arbeitsalltag einer deutschen Doktorats-Studentin aussehen. Ziel war es, Kritik abzufedern und die Situation einzuordnen. Aber es kam anders.
Der prekäre Mittelbau
Doktorandin Hanna wurde sehr wohl zum Exempel – aber für die beruflich prekäre Situation, in der sich Angehörige des sogenannten akademischen Mittelbaus befinden. Das sind Angestellte der Universität, die in Forschung und Lehre tätig sind, aber keine Lehrstühle innehaben: Assistenten, Doktorandinnen oder Post-Docs.
Sie schildern nun unter dem Hashtag #IchBinHanna ihre unsichere, berufliche Lage: nur befristete Arbeitsverträge und keine sichere Perspektive auf eine akademische Karriere.
Grosse Unsicherheit
Auch in der Schweiz sei die Arbeitssituation im Mittelbau alles andere als optimal, sagt Martina von Arx, Co-Präsidentin von Actionuni, dem Dachverband der Schweizer Mittelbau-Vereinigungen.
«In der Schweiz sind etwa 80 Prozent der Mittelbau-Angestellten in befristeten Verträgen angestellt. Wer beispielsweise ein Doktorat macht, kann nicht davon ausgehen, eine sichere Stelle in der Akademie zu bekommen.»
Akademische Mitarbeitende müssten mit einer grossen Unsicherheit umgehen können, was die Planung der beruflichen Laufbahn angeht. Und man müsse bereit sein, erheblich mehr Arbeit auf sich zu nehmen, als das Pensum vorsieht, weil man immer in Abhängigkeiten zu den vorgesetzten Professorinnen und Professoren stehe.
Ein ungerechtes System
An der Universität Zürich hat der VPOD, der als Gewerkschaft für den Mittelbau verantwortlich ist, diesen Frühling eine Umfrage durchgeführt. 1600 Personen haben teilgenommen. Die Resultate sind erschreckend.
«73.5 Prozent haben angegeben, dass sie regelmässig mehr Arbeit leisten als vertraglich vereinbart. Am meisten betroffen sind die Doktorierenden, da sind es über 80 Prozent. Das ist enorm», sagt Sandra Ceresa, Regionalsekretärin des VPOD, Sektion Zürich.
Fast 80 Prozent der Teilnehmenden gaben an, dass sie pro Woche über fünf Stunden zusätzlich arbeiten. Bei 14 Prozent sind es sogar mehr als 20 Stunden zusätzlich. Unbezahlt und unbeweisbar, weil Zeit-Buchhaltung an der Universität Zürich keine Pflicht ist.
Mehr Festanstellungen schaffen
Die prekären Arbeitsbedingungen würden immer wieder Mittelbau-Angestellte dazu veranlassen, die akademische Laufbahn abzubrechen oder ins Ausland abzuwandern, sagt Martina von Arx von Actionuni. Das müsse man verhindern.
Darum wurde letzten Oktober eine schweizweite Petition lanciert. «Die Forderung der Petition Academia ist, strukturell mehr Festanstellungen für Forschende und Lehrende an den Universitäten zu schaffen. Es braucht eine Umverteilung der Finanzierung: von projektbasierten Anstellungen hin zu Festanstellungen.»
Das wäre ein Schritt, der zu mehr Sicherheit im akademischen Mittelbau führen könnte. Ob es dazu kommt, steht noch in den Sternen. Denn die Universitätsleitung, die Kantone und der Bund reichen sich in dieser Angelegenheit schon seit Jahren die Schwarze Peter-Karte hin und her, wer hier die Verantwortung übernehmen muss.
Übrigens: Das Video über die Biologin Hanna und ihre befristete Anstellung wurde mittlerweile auf der Website des BMBF gelöscht, mit dem Hinweis, dass es aus dem Jahr 2018 stamme und die aktuelle Situation der Arbeitsbedingungen nicht mehr widerspiegle.