- «Burning Man» ist Kunstfestival und temporäre Parallelgesellschaft in der Wüste von Nevada.
- «Burning Man» will mehr als nur Party sein: Die Veranstalter wollen ihre Ideale einer kreativen, offenen und verantwortungsbewussten Gesellschaft in die Welt hinaus tragen.
- Mit dem Wachstum der Veranstaltung wächst auch die Kritik an ihr. «Burning Man» wird den eigenen Idealen nicht gerecht.
Ganz am Schluss brennt er lichterloh, der «Burning Man», unter dem Jubel tausender Zuschauer. Es ist der Höhepunkt des «Burning Man»-Festivals, das jeweils Ende August bis zu 75‘000 Personen in die Wüste von Nevada lockt.
Zuvor überblickt die riesige Holzfigur acht Tage lang das kunterbunte Treiben in der heissen, staubigen Black Rock City. Die temporäre Stadt aus Wohnmobilen und Zelten breitet sich in einem grossen Halbkreis um die Figur aus.
Feiern ohne Geld
Abenteuerlich gekleidete (oder auch unbekleidete) Leute bewegen sich mit ebenso abenteuerlichen Fahrzeugen zwischen verrückten Kunstinstallationen, wilden Tanzpartys, Yoga-Workshops und improvisierten Pizzabuden.
In der Wüstenstadt gelten spezielle Regeln. Die «Burners», wie sich die Bewohnerinnen und Bewohner nennen, können mit Ausnahme von Kaffee und Eis nichts kaufen. Jeder muss deshalb selbst mitbringen, was er zum Überleben braucht – oder sich auf Geschenke Anderer verlassen.
Wachsende Kritik
Das erste Mal stand die Holzfigur vor gut 30 Jahren an einem Strand in San Francisco in Flammen, damals umringt von einer Gruppe von Freunden. Unterdessen ist «Burning Man» zu einer riesigen Kunstparty gewachsen mit einem jährlichen Budget von 30 Millionen Dollar.
Mit der Veranstaltung wächst auch die Kritik an ihr. Die selbstauferlegten Prinzipien – keine Spuren hinterlassen, alle dürfen teilnehmen, Verzicht auf Kommerz – können die Veranstalter nur teilweise einhalten.
Opfer des eigenen Erfolgs
75‘000 Leute gehen nicht spurlos an der Umwelt vorbei, auch wenn am Schluss liegengebliebener Abfall eingesammelt wird. Allein der Transport von Leuten und Material in die abgelegene Wüste lastet schwer auf der Ökobilanz.
Auch das Prinzip der «radical inclusion» – jede und jeder kann Teil von «Burning Man» sein – ist eine Illusion. Ticketpreise um die 400 Dollar können sich viele nicht leisten. Wer es kann, muss erst eines kriegen: Die Nachfrage übersteigt das Angebot bei Weitem.
Andere sehen die offene Parallelgesellschaft durch Millionäre und ihre Luxuscamps bedroht, was letztes Jahr gar zu Vandalismus führte. So holt die Realität die Utopie immer wieder ein.
Mission: eine bessere Welt
Die Expansion beschränkt sich nicht auf die Stadt in der Wüste. «Burning Man» hat auch in anderen Regionen Fuss gefasst. In Texas, Colorado oder Delaware entstanden kleinere Events, aber auch ausserhalb der USA, etwa in Australien, Spanien oder Israel.
Die Organisatoren von «Burning Man» fördern diese Expansion. Sie sehen es als ihre Mission, ihre Utopie einer kreativen, offenen und verantwortungsbewussten Gesellschaft in die Welt hinaus zu tragen – und in den Alltag der Leute. Ein Beispiel dafür sind die «Burners Without Borders», eine kleine Hilfsorganisation, die 2005 als Reaktion auf den Hurrikan Katrina entstand.
Wie nachhaltig der Einsatz der «Burners» für eine bessere Welt ist, ist schwer zu beurteilen. Die Utopie dürfte jedoch, genau wie die Black Rock City selbst, an Grenzen stossen.
Der eigentliche Event ist aber auf alle Fälle mehr als ein Strohfeuer. «Burning Man» öffnet acht Tage lang das Tor zu einem knallbunten Paralleluniversum, von dem Besucher noch Jahre später schwärmen.
Sendung: SRF 1, Sternstunde Philosophie, 29.1.2017, 11:00 Uhr.