«Vom Heilsversprechen zur Zwangshandlung», so bezeichnet Mathias Binswanger die Entwicklung des Wirtschaftswachstums. Wirtschaftswachstum generiert Wohlstand. Das habe bisher in reichen Ländern gut funktioniert. Nun würden zunehmend Nachteile sichtbar: Stress oder hohe Umweltbelastung.
Bedürfnisse wecken statt decken
Mathias Binswanger stellt fest, dass wir in eine Art Teufelskreis geraten sind: «Aus einer Ökonomie der Bedürfnisdeckung ist eine Ökonomie der Bedürfnisweckung geworden».
Laufend müssten neue Bedürfnisse geweckt werden, um den Konsum und das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Der Automarkt zum Beispiel sei längst gesättigt. Es gehe nur mehr darum, schnellere, schwerere, luxuriösere oder effizientere Autos auf den Markt zu bringen.
Die Neue Zürcher Zeitung zählte Mathias Binswanger im Jahr 2017 gemessen an ihrem Einfluss in der Öffentlichkeit zu den drei bedeutendsten Ökonomen der Schweiz. Seine Thesen bestechen. Er spricht gerne von den «Tretmühlen des Glücks»: Mehr Wohlstand mache die Menschen in reichen Ländern nicht mehr zufriedener oder glücklicher.
Es gibt andere Modelle
Mathias Binswanger kommt in seiner Analyse zum Schluss: «Wettbewerb gehört zum Kapitalismus wie der Wettkampf zum Sport». Aktiengesellschaften hält er für Wachstumstreiber. Es gebe jedoch kooperative Formen des Wirtschaftens wie Carsharing oder Genossenschaften für Wohnbau oder Energie.
Mathias Binswanger nennt Beispiele von KMU, die ohne Wachstum erfolgreich seien: ein Holzmöbel-Hersteller, eine Brauerei, eine Druckerei oder ein Schuhhändler.
Für seine Kritiker sind das «Sandkastenspiele». Sie entgegnen: Ohne Wachstum keine Innovation, keine Entwicklung, kein Wohlstand. Durch Wirtschaftswachstum und Steuereinnahmen würden Schulen, Gesundheitsvorsorge, Sozialwerke oder die Altersvorsorge finanziert.
Kapitalismus umbauen
Die Stärke des Buches von Mathias Binswanger liegt in der Analyse. Messerscharf seziert er den Zwang zum Wachstum. Er greift ein Unbehagen auf. Viele Menschen spüren: Wir haben eine Grenze erreicht. So geht es nicht weiter, das Streben nach Wachstum und ökologische Ziele lassen sich nicht unter einen Hut bringen.
Wer pfannenfertige Lösungen erwartet, wird enttäuscht. Mathias Binswanger bezeichnet sein Buch als «wachstumsfreundlich und wachstumskritisch». Er regt an, den Wachstumsdrang zu mildern und zeigt auf, wie ein rein kapitalistisches Wirtschaftssystem umgebaut werden könnte. Die generelle Richtung ist klar: Weniger ist mehr.