Online shoppen, einen Flug buchen oder ein Hotel reservieren: Wer sich das leisten kann, bezahlt oft per Kreditkarte. So auch Amir (Name geändert). Der Schweizer ist Mitte 30, in der Elektrotechnik tätig und praktizierender Muslim. Er legt Wert darauf, möglichst islamkonform zu wirtschaften. Und weil Zinsen im Islam verboten sind, ist das mit der Kreditkarte nicht so einfach.
Zinsen erhöhen Verschuldungsgefahr
Wer mittels Kredit kauft, gibt mehr Geld aus, als er oder sie in dem Moment hat. Auf das ausgeliehene Geld fallen Zinsen an, wie etwa auch beim Autoleasing oder Baukredit. Je länger es dauert, das ausgeliehene Geld und die Zinsen zurückzubezahlen, desto grösser wird der Zinseszins. Fehlt es an Budgetdisziplin, sind Schulden schnell gemacht.
Im Koran gibt es gleich mehrere Stellen, die sich mit Schulden auseinandersetzen. Sie mahnen einen sorgfältigen Umgang an, denn: Wer überschuldet sei, sei stärker der Gefahr ausgesetzt, (dumme) Dinge zu tun, um sich Geld zu beschaffen. Das sagt Michael Gassner, Banker bei einer Schweizer Privatbank und selbst Muslim, «deswegen sind Schulden im Islam unerwünscht». Schliesslich solle Geld keinen Schaden anrichten und immer an die Realwirtschaft gebunden sein, so die ethische Überzeugung.
Amir löst das Kreditkarten-Dilemma mit einer fixen Limite: «Bei mir ist die 2000 Franken. Das kann ich Ende Monat sicher zurückbezahlen, so dass bei mir keine Zinsen und Schulden anfallen», erklärt Amir. Als andere Möglichkeit sieht Michael Gassner Prepaid-Kreditkarten, bei denen man im Voraus Geld einbezahlt: «Die sind unproblematisch».
Individuelle Lösungen gefragt
In der Schweiz müssen Musliminnen und Muslime, die mit ihrem Geld islamkonform umgehen wollen, individuelle Lösungen finden. Denn anders als in Deutschland oder England gibt es hierzulande keine islamische Bank. Es gibt lediglich Finanzprodukte, die «shariafriendly» sind, wie eine Schweizer Grossbank auf Anfrage von SRF schreibt. Allerdings sind diese vermögenden Menschen vorbehalten, Normalverdienende werden nicht bedient.
Amir bedauert das. «Damit wird ein Teil der Schweizer Bevölkerung ausgeschlossen. Geld bleibt liegen, statt investiert zu sein.» Hinzu kommt, dass es viele Vorurteile gebe: «Es traut sich niemand nach islamkonformen Produkten wie etwa einer Säule 3a zu fragen, weil man gleich als Salafist und Freak abgestempelt wird.»
«Geld soll nicht schaden»
In der Schweiz gehören knapp 6 Prozent der Bevölkerung dem Islam an. Wie viele davon islamkonform wirtschaften wollen, ist nicht bekannt. Michael Gassner hält regelmässig Vorträge rund um islamische Finanzbildung und ist in engem Kontakt mit der Community. «Es sind Menschen aus der zweiten, dritten Generation, die gut ausgebildet sind und verdienen. Und für die Religion Teil ihrer Identität ist.»
Amir erzählt, dass sein Interesse für islamisches Finanzwesen aus einer religiösen Motivation wuchs. Bald kamen ethische Aspekte dazu. «Wenn man das Zinssystem einmal kritisch hinterfragt, merkt man, dass das für die Vermögensverteilung nicht gut ist und zum Beispiel die Schere zwischen Arm und Reich grösser macht.» So sei sein Bewusstsein für soziale Gerechtigkeit oder Nachhaltigkeit gewachsen: «Geld soll der Gesellschaft nicht schaden».