Nicole Vogel ist 48 Jahre alt, Informatikerin von Beruf und fühlte sich schon immer stark mit der Natur verbunden. Seit Anfang dieses Jahres lässt sie sich bei einer Jagdgesellschaft im Baselbiet zur Jägerin ausbilden.
«Ich hatte das Vorurteil, dass Jäger vor allem Tiere schiessen», erzählt sie. «Doch dann habe ich gemerkt, dass es dabei zu einem grossen Teil um den Naturschutz geht.» Das habe sie motiviert, die Jagdausbildung anzugehen.
«Männergesellschaft mit eigenem Humor»
Früher war Jagen Sache der Männer vom Land. Doch das ändert sich. In den Jagdlehrgängen tummeln sich landauf, landab mehr Städter und vor allem: mehr Frauen. Und eine von ihnen ist Nicole Vogel. In den bisher acht Monaten ihrer Ausbildung habe sie sehr viel erlebt erzählt sie. Vieles davon ist Hege und Pflege.
Nicole Vogel hat im Wald Salzlecken aufgefüllt. Sie hat Wiesen mit weissen Fahnen bestückt, damit die Rehgeissen ihre Kitze in Sicherheit bringen, bevor die Wiese gemäht wird. Auch den Umgang mit Waffen hat sie kennengelernt. «Ich hatte grossen Respekt davor», sagt sie.
Doch in den Seminaren und praktischen Übungstagen hätten die Instruktoren sie verantwortungsvoll ans Schiessen herangeführt. Die Jagdgesellschaft habe sie ebenfalls gut aufgenommen. «Es ist zwar eine Männergesellschaft mit einem eigenen Humor. Aber ich erlebe es insgesamt positiv.»
Grüner Loden ist Geschichte
Noch vor wenigen Jahren fielen Frauen in den Jagdgesellschaften als «Exotinnen» auf. Das ist vorbei. Brigitte Born, die seit bald 30 Jahren im Solothurnischen jagt, stellt fest: «Es sind viel mehr junge Männer auf der Jagd, und die sind viel emanzipierter und offener gegenüber Frauen.»
Auch David Clavadetscher, Geschäftsführer von Jagd Schweiz, dem Dachverband der Jägerinnen und Jäger, bestätigt diesen Trend. Das Klischee des grünen, lodenbekleideten Mannes sei längst überholt. «Auf die Jagd gehen heute viele junge Menschen, die überhaupt keine Jagdtradition in ihrer Familie haben.» Solche Jäger – und Jägerinnen – würden «ganz neue Aspekte» in die Jagd einbringen.
Respekt vor dem Tier
Zum Beispiel eine andere Verantwortung gegenüber dem Tier, das man schiesst. Viele, vor allem junge Jägerinnen und Jäger, seien sehr ökologisch motiviert, stellt Clavadetscher fest. «Ein Tier mit eigener Hand zu erlegen und zu verarbeiten halten manche für die ehrlichste Art der Fleischerzeugung.»
Nicole Vogel gehört nicht zu ihnen, sie ist seit Jahrzehnten Vegetarierin. Mit dem Töten eines Tiers hat sie aber kein Problem. «Wenn man verantwortungsvoll schiesst, stirbt das Tier von einer Sekunde auf die andere. Es leidet nicht.»
Das mitzuerleben habe sie beeindruckt, ebenso der Respekt, den die Jäger beim Umgang mit dem Tierkörper zeigten. «Deshalb kann ich mir durchaus vorstellen, eines Tages auch wieder Fleisch zu essen», sagt die angehende Jägerin. Zum Beispiel, wenn sie ihren ersten eigenen Sommerbock erlegt hat.