Die Gräben sind tief im Bistum Chur. Konservative Bischöfe wie Vitus Huonder haben es immer wieder geschafft, die liberalen Katholikinnen und Katholiken in Zürich, aber auch in der Innerschweiz und in Graubünden, auf die Palme zu bringen.
Sei es mit ihrer Ablehnung der Abtreibung oder der Verhütung, sei es mit homophoben Bemerkungen oder mit der Haltung, dass Frauen in der Kirche keine Verantwortung übernehmen dürfen. Miteinander reden – das war in den letzten Jahren unmöglich.
Offen und gesprächsbereit
Deshalb setzten gerade die Zürcher ihre Hoffnung auf einen neuen Bischof, der zumindest Interesse hat an einem Dialog. Und haben ihn nun erhalten: Joseph Maria Bonnemain ist offen und gesprächsbereit.
Er kennt die Basis von seiner Arbeit als Spitalseelsorger, ist Sekretär des Fachgremiums für sexuelle Übergriffe der Schweizer Bischofkonferenz. Und er adressiert in seinem Grusswort als erstes die Basis, inklusive Frauen. Ein Zeichen gegen den Klerikalismus.
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Für die demokratisch organisierten Kantonalkirchen
Zudem hat er in den letzten Jahren gezeigt, dass er hinter dem dualen System der Schweiz steht – ein weiterer Streitpunkt zwischen Traditionalisten und Liberalen. Der vergangene Bischof Vitus Huonder und auch Martin Grichting haben dieses duale System – dass es also neben dem Bistum auch noch demokratisch organisierte Kantonalkirchen gibt – immer wieder infrage gestellt. Auch hier dürfte der neue Bischof für Entspannung sorgen.
Allerdings ist Joseph Maria Bonnemain alles andere als progressiv. Das zeigt sich schon daran, dass er dem ultrakonservativen Orden Opus Dei angehört.
Zudem wird Joseph Maria Bonnemain im Sommer 73 Jahre alt. Mit 75 Jahren sollte ein Bischof gemäss Kirchenrecht zurücktreten. Der neue Bischof ist also definitiv eine Übergangslösung.
Muss Grichting gehen?
Dennoch kann er in der kurzen Amtszeit etwas bewirken. So kann er die Generalvikare, sozusagen seine Stellvertreter im Bistum, austauschen.
Bereits gibt es Gerüchte, dass Martin Grichting, starker Mann der Traditionalisten im Bistum Chur, gehen muss. Erstaunlich wäre dies nicht, hatte Martin Grichting doch im November dafür gesorgt, dass die Wahl des neuen Bischofs im Churer Domkapitel abgebrochen wird und dabei indirekt auch den neuen Bischof angegriffen, der damals als Kandidat zur Wahl stand. Denkbar, dass dies eine Zusammenarbeit nun verunmöglich.
Schritt Richtung Versöhnung
Zudem ist nicht zu unterschätzen, wie sehr es im Konflikt im Bistum Chur auf den Ton ankommt. Franziska Driessen-Reding, Synodalratspräsidentin der römisch-katholischen Zürcher Landeskirche, sagt, sie habe sich einen Brückenbauer gewünscht. Und ihn erhalten.
Die Bereitschaft zum Dialog ist im zerrütteten Bistum also wichtiger als die theologische Ausrichtung. Und hier ist mit dem neuen Bischof ein Schritt in Richtung Versöhnung getan.