Dieses Jahr sollen die Jugendlichen erstmals allein bestimmen können, welches Wort Jugendwort des Jahres werden soll. Bereits jetzt wird in Online-Foren heftig darüber diskutiert.
Bisher schwingen zwei unerwartete Wörter obenaus. Dabei handle es sich aber lediglich um Favoriten zweier Gruppen, die es sich zum Sport gemacht haben, diese Wörter zu pushen, sagt Linguistin Christa Dürscheid.
SRF: Das Wort «Hurensohn» und das Wort «Mittwoch» scheinen in der aktuellen Online-Abstimmung zum Jugendwort des Jahres hoch im Kurs zu sein. Sind das tatsächlich Wörter, die am häufigsten auf deutschen Schulhöfen gesprochen werden?
Christa Dürscheid: Nein, das sind sicher keine Jugendwörter. «Mittwoch» wird natürlich häufig verwendet. Aber es ist kein Wort, das häufiger auf Schulhöfen gesprochen wird als anderswo. «Hurensohn» ist ein Wort, das man als beleidigende Anrede ab und zu hört.
Die Kriterien, nach denen diese beiden Wörter bei der Online-Abstimmung vorgeschlagen wurden, sind andere. Es geht den Jugendlichen nicht darum, Wörter zu nennen, die man besonders häufig auf Schulhöfen hört, sondern solche Wörter zu nennen, die im Internet in diesen Communities (zum Beispiel in der Reddit-Gruppe «ich_iel», siehe Textbox) im Moment eine grosse Rolle spielen.
Es scheint den Jugendlichen also doch sehr am Herzen zu liegen, welches Wort am Schluss gewählt wird?
Es hat sich eine Gruppe gebildet, die sich zur Aufgabe gemacht hat, das Wort «Hurensohn» bei dieser Online-Abstimmung so zu pushen, dass es möglicherweise zum Jugendwort des Jahres wird.
Und es gibt eine andere Internet-Community, die macht sich jetzt einen Sport daraus, ein Gegenwort, nämlich «Mittwoch», zum Kandidaten zu machen. Und das hat eine Eigendynamik bekommen.
Ob es den Jugendlichen tatsächlich darum geht, dass sie damit ihren Sprachgebrauch dokumentieren wollen, bezweifle ich. Es geht vor allem darum, diese beiden Wörter zu pushen und damit auch die eigene Zugehörigkeit zu diesen Gruppen.
Das heisst, diese Umfrage ist am Ende nicht wirklich repräsentativ, was die gesprochene Sprache der Jugendlichen angeht. Wie kann man das meistverwendete Jugendwort bestimmen?
Das kommt auch darauf an, welches Kriterium man zugrunde legt. Wenn es darum geht, das Wort zu finden, das am meisten gesprochen wird, muss man empirisch vorgehen und Feldforschung machen.
Wenn man ein besonders originelles Wort möchte, dann kann man Jugendliche befragen – wie das auch momentan geschieht. Aber dann muss man damit rechnen, dass das nicht der authentische Sprachgebrauch ist, sondern dass dann Wörter vorgeschlagen werden, die besonders kreativ oder originell sein sollen. Oder wie es momentan geschieht, die Befragung unterlaufen wird und ein so banales Alltagswort wie «Mittwoch» in die Abstimmung kommt.
Weiss man, wieso der Verlag Langenscheidt diese Umfrage so durchführt?
Dem Verlag geht es ja vor allem um das Marketing. In diesem Jahr bekommt er besonders viel Werbung, weil es jetzt eben zu einer solchen Empörung kommt, dass ein Wort wie «Hurensohn» überhaupt ein Kandidat sein kann für ein Jugendwort des Jahres.
Es ist verständlich, dass der Langenscheidt-Verlag einerseits darüber nicht sehr erfreut ist. Andererseits bringt ihm das natürlich noch mehr Werbung. Durch die mediale Berichterstattung wird man noch mehr aufmerksam auf diese Aktion. Daraus soll auch wieder ein kleines Buch entstehen – und so wird dessen Absatz ebenfalls angekurbelt.
Das Gespräch führte Igor Basic.