Manche nennen sie Kaderschmieden für ehrgeizige Köpfe. Andere bezeichnen sie als Sprungbrett für die «richtige» Politik: Den Jungparteien heftet man viele Etiketten an. Und oft werden sie nicht ganz für voll genommen.
Den Jungpolitikerinnen und -politikern selbst ist das egal. Sei’s bei der Juso oder den Jungfreisinnigen, sei's bei den Jungen Grünen oder der Jungen SVP: Junge engagieren sich in einer Jungpartei, um etwas zu bewegen – für ihre Generation. Drei Begegnungen.
Sarah Medea Thanasis (26), Junge SP Region Olten
«Ich bin in Olten aufgewachsen. Als typisches ‹Ausländerkind dritter Generation› habe ich mich vor sechs Jahren einbürgern lassen. Das war mir sehr wichtig, vor allem deswegen, weil ich mich am politischen Geschehen beteiligen wollte.
Vielen Gleichaltrigen in meinem Umfeld ist Politik egal. Das finde ich schade. Ich kandidiere auf einer Frauenliste der Jungen SP Region Olten für den Nationalrat. Frauen sollten in der Politik sichtbarer werden. Schon aus diesem Grund habe ich die Chance der Kandidatur beim Schopf gepackt. Es geht nicht, etwas zu fordern – und dann selbst nicht konsequent zu sein.
Ich mache bei der Jungen SP Olten mit, um mit anderen Jungen etwas zu bewegen, den Fokus auch auf die Jugend zu richten. Politik wird vor allem von Alten für Alte gemacht, nicht für die kommenden Generationen.
Politik wird vor allem von Alten für Alte gemacht, nicht für die kommenden Generationen.
Auch in den Schulen – ich bin selbst Sek-Lehrerin – kommt Politik eindeutig zu kurz. Im Lehrplan 21 ist politische Bildung in der Oberstufe in das Fach ‹Räume, Zeiten und Gesellschaften› integriert.
Dieses Fach besteht im Wesentlichen aus den ehemaligen Fächern Geschichte und Geografie. Wie und ob in diesem Rahmen Politik oder ‹Staatskunde› in den Unterricht einfliesst, hängt stark von der einzelnen Lehrperson ab.
Dabei wären Jugendliche an sich gar nicht unpolitisch. Das zeigen die Klimastreiks der Schülerinnen und Schüler. In den letzten Wochen sind mehrere Jugendliche an der Schule auf mich zugekommen und haben gesagt, sie wollten Verantwortung übernehmen, sich engagieren, an einer Demo teilnehmen.
An einem freien Mittwochnachmittag haben ich und eine andere Lehrperson sie darauf vorbereitet. Deshalb fahren wir nun gemeinsam an die Demonstration. Da bewegt sich etwas.»
Nicola Stocker (23), Junge SVP Graubünden
«Ich komme aus Trimmis, studiere Agronomie und präsidiere seit vier Jahren die Junge SVP Graubünden. Zurzeit bin ich noch OK-Präsident der Bündner Jugendsession.
Politik ist tendenziell eine Disziplin der Alten.
In der Jungen SVP fordern wir, dass die Bündner Politik jugendlicher werden soll. Politik ist tendenziell eine Disziplin der Alten. 2018 zum Beispiel waren Wahlen des Grossrats, des Kantonsparlaments Graubünden. Auf den ersten Blick dachte man, der Rat habe sich stark verjüngt.
Ich habe dann die Zahlen ausgewertet, und das Ergebnis ist ernüchternd: Das Durchschnittsalter ist nicht einmal um ein Jahr gesunken.
Deshalb erfüllen wir als Jungpartei eine wichtige Aufgabe. Bei uns sind wirklich junge Leute dabei. Wir blicken nicht auf 20, 30 Jahre Lebenserfahrung und Expertise zurück, aber wir sind jung und trauen uns etwas.
In so einem Umfeld kann ein 15-, 16-Jähriger mit Personen, die Mitte 20 sind, viel besser und hemmungsloser kommunizieren, als wenn da noch 40-, 50- oder 60-Jährige dabei wären.
Mit den Klimastreiks kann ich persönlich nicht viel anfangen.
In den Kernanliegen, etwa der Migrations- oder Aussenpolitik, ticken wir gleich wie die Mutterpartei. Doch bei uns haben durchaus kontroverse Themen Platz, die nicht unbedingt typisch sind für die SVP. So unterstützen wir zum Beispiel eine Regulierung des Cannabis-Konsums. Und wir finden als Jungpartei auch die ‹Ehe für alle› völlig in Ordnung.
Mit den Klimastreiks hingegen kann ich persönlich nicht viel anfangen. Ich finde es zwar positiv, dass sich junge Menschen fürs Klima engagieren. Aber ich finde ihre Forderungen illusorisch und bin überzeugt, dass Demonstrationen oder Streiks wenig bewirken und nützen.»
Titus Hell (24), Jungfreisinnige Basel-Stadt
«Ich studiere Jura und bin seit Anfang Jahr Präsident der Jungfreisinnigen Basel-Stadt. Innerhalb des Jungfreisinns gehören wir zu den kleineren Sektionen, trotzdem sind wir sehr aktiv.
Was das ausmacht: eine gute Portion Idealismus, Freude an der Sache, Freude am Meinungsaustausch innerhalb von Gleichaltrigen. Wir pflegen einen offenen Diskurs, alle Meinungen haben Platz. Mir gefällt auch die Möglichkeit, dass man kantonal etwas bewegen kann.
Wir haben eine Initiative lanciert für politische Bildung in der Oberstufe, und haben sie zustande gebracht. Die Unterschriften haben wir, die Jungfreisinnigen Basel-Stadt, gesammelt.
Wir fordern ein eigenes Schulfach Politik. Jugendliche haben das Anrecht, die ‹Basics› unseres politischen Systems in der Schule zu lernen. Sie sollen mitreden, abstimmen und wählen können. Wir haben auch von vielen Schülern gehört, dass sie sich das wünschen. Politik kommt im Unterricht wenig vor.
Warum sollte man nicht streiken gehen, wenn man das Gefühl hat, es bewegt sich nichts.
Ich denke nicht, dass die Jugend unpolitisch ist. Ich habe zwei jüngere Brüder und kenne einige ihrer Kollegen: Die engagieren sich vielleicht nicht in einer Partei, aber sie haben alle ihre Meinungen, Wünsche und Vorstellungen eines bestimmten Gesellschaftsbildes.
Die Klimastreiks finde ich absolut legitim. Ich selbst gehe zwar nicht hin – bei den Jungfreisinnigen unterstützen wir eher marktwirtschaftliche und liberale Lösungen, keine Verbote. Aber warum sollte man nicht streiken gehen, wenn man das Gefühl hat, es bewegt sich nichts. Das ist völlig okay.»