Mein neuer Job lässt mich von Deutschland in die Schweiz auswandern. Soll ich hier in Basel deshalb einen Schweizerdeutschkurs besuchen? Schweizerinnen raten mir ab: «Da lernst du nur Baseldytsch».
Dass es noch viele andere Dialekte gibt, habe ich bereits in den ersten Redaktionssitzungen gemerkt: In meinem Kopf verknoten sich Dialekte aus Zürich, Basel und Bern. Ich will die Idiome besser kennenlernen. Schliesslich arbeite ich als Journalistin beim Schweizer Radio und Fernsehen.
Künstliche Dialekt-Vielfalt
Ein Kollege empfiehlt mir eine KI, die Schweizerdeutsch übersetzen kann. Das Schweizer Start-up «Textshuttle» hat sein KI-basiertes Übersetzungsprogramm kürzlich der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Das Unternehmen wirbt unter anderem damit, dass seine Software die sprachlichen Eigenheiten der Schweiz abbilden könne. Das will ich testen.
Da ich oftmals nicht weiss, wie die gesprochenen Mundartwörter geschrieben werden, beginne ich mit einem berndeutschen Liedtext aus dem Internet: «Alls wo mir id Finger chunnt» von Mani Matter.
Die Übersetzung ins Hochdeutsche hilft mir, den Text besser zu verstehen. Bei einigen Ausdrücken liegt die KI aber falsch: «Verheit» bedeutet nicht «verheitlicht», sondern «kaputtgehen». Und «Bitze» meint «Stücke».
Die KI geht zur Schule
Und nun andersrum. In der Testversion des Übersetzungstools kann ich bei der Sprachausgabe zwischen Berner und Zürcher Dialekt auswählen. Und ich kann mich für «informell» oder «formell» entscheiden.
Ich gebe «Das Kind geht zur Schule» ein. Auf Zürichdeutsch liegt das Programm mit «S Chind gaht» richtig, bestätigen mir Kolleginnen. Allerdings schickt es das Kind «zur» statt «id Schuel».
Bei der Berner Übersetzung sind «Ds» und «geit» richtig, das typische berndeutsche Wort «Ching» für Kind ist für die Software allerdings nicht erste Wahl. Es erscheint erst im Auswahlfeld mit alternativen Übersetzungsvorschlägen.
Ungünstige Schweizer Datenlage
Laut Unternehmen lernt das Programm auf der Basis vorhandener Sprachressourcen und mit bereits bestehenden Übersetzungen.
Textshuttle arbeitet zum Beispiel mit Whatsapp-Chats, die teilweise eigens erstellt wurden, erklärt Samuel Läubli, der technische Leiter bei Textshuttle. Der Algorithmus leite Begriffe ab und generalisiere sie: «Dieser Prozess ist eine grosse Herausforderung», sagt Läubli, «wir wissen selbst nicht, was das System damit machen wird.»
Dieser Kunstgriff sei jedoch notwendig, da es im Netz kaum bestehende Übersetzungen für das Schweizerdeutsch gebe. Für französische oder englische Übersetzungen etwa kann das System auf Millionen bestehende Text zugreifen, die auf einer einheitlichen Grammatik und Schreibweise beruhen. In Mundart gibt es solche Texte nicht: Schweizerinnen und Schweizer entscheiden selbst, wie sie schreiben.
Bis eine KI subjektive Eindrücke systematisieren und umfangreich generalisieren kann, wird es wohl noch etwas dauern. Trotzdem: Meine Whatsapp-Nachrichten kann ich jetzt grob übersetzen, ehe ich souverän auf Hochdeutsch zurücktexte.