Priscilla Schwendimann ist Pfarrerin – und lebt mit einer Frau in einer eingetragenen Partnerschaft. Heute ist das für die 27-Jährige selbstverständlich. Das war nicht immer so. Als sie vor rund acht Jahren realisierte, dass sie lesbisch ist, meinte Priscilla Schwendimann, sich entschieden zu müssen: zwischen ihrem Glauben und der Liebe.
Aufgewachsen ist sie in einem evangelikalen Milieu. Dort wird Homosexualität oft verurteilt. Folglich war das Coming-out schwierig. In ihrer damaligen christlichen Wohngemeinschaft wollten etwa einige nicht mehr mit ihr am Tisch essen – weil Priscilla Schwendimann sündig sei. Rückblickend sagt sie: «Ich fiel in ein Loch und wusste nicht mehr, wer ich bin.»
Offenheit und Ausgrenzung
Priscilla Schwendimanns Erfahrungen stehen exemplarisch dafür, wie in der Schweiz reformierte Kirchen mit Homosexualität umgehen: In vielen Kantonalkirchen sind gleichgeschlechtliche Paare integriert, sogar im Pfarrhaus willkommen. In evangelikalen Kirchen hingegen gibt es Menschen, die Homosexuelle «gesundbeten» und «therapieren» wollen.
Für eine Probestunde besuchte Priscilla Schwendimann selbst eine solche «Therapie». Doch diese Probestunde führte viel eher dazu, dass sie ihre Homosexualität ins Leben integrieren wollte, anstatt sich davon «heilen» zu lassen. Ein langer, teilweise sehr schmerzvoller Prozess begann, sagt sie heute.
Reformierte Kirche bekennt Farbe
Sie wünscht sich, dass die reformierte Kirche aktiv auf Homosexuelle zugeht. Viele queere Menschen glaubten immer noch, die Kirche sei gegen sie. Tatsächlich erlebt Priscilla Schwendimann aber viel Offenheit in der Gemeinde, wird vom Team oder der Kirchenleitung unterstützt. Selten sei jemand offen homophob.
Ein spezielles Angebot für LGBTI-Menschen, das bietet Pfarrerin Schwendimann bislang nicht in ihrer Kirchgemeinde an. Es gäbe vor Ort kein Bedürfnis danach. Sie engagiert sich darum ausserhalb: beim Verein Zwischenraum, als Kirchenvertreterin bei der Pride oder mit Aktionen wie der grossen Regenbogenfahne beim Zürcher Grossmünster.
Im Januar flatterte sie dort, um für die Erweiterung der Rassismus-Strafnorm zu werben. «Das war für mich ein ganz wichtiges Zeichen», sagt sie, «auch, dass Leute ausserhalb der Kirche realisieren, dass sich Reformierte für Homosexuelle einsetzen.»
Eine Kirche für alle
Die reformierte Landeskirche segnet Homosexuelle, manche Kantonalkirchen machen das schon seit den 1990er-Jahren. Zudem beschloss letzten Herbst die Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz, der Zusammenschluss der Kantonalkirchen, den Ehebegriff zu öffnen.
Die Diskussion war intensiv und am Schluss war klar: Sollte die rechtliche Grundlage für eine «Ehe für alle» im Parlament durchkommen, soll es auch eine kirchliche Trauung für Homosexuelle geben.
Es wird jedoch den Pfarrpersonen überlassen, ob sie eine solche Trauung durchführen wollen. «Das finde ich stimmig», sagt Priscilla Schwendimann. Schon jetzt könnten aus Gewissensgründen etwa interreligiöse Trauungen abgelehnt werden. Es gebe eben unterschiedliche Haltungen, «und diese Diversität ist wichtig», findet Priscilla Schwendimann.
Ihr gehe es nicht darum, aus der reformierten Kirche eine LGBTI-Kirche zu machen. Sie steht für eine Kirche ein, «in der einfach alle willkommen sind».
Katholische Kirche: Einsatz im Verborgenen
Willkommen sind Homosexuelle heute auch in der katholischen Kirche, teilweise zumindest. Die christkatholische Kirche segnet seit 2006 gleichgeschlechtliche Paare. Ob sie die «Ehe für alle» unterstützt, diskutiert sie derzeit.
Bei der römisch-katholischen Kirche gibt es keine Segnungen. Nach dem offiziellen Katechismus gilt gelebte Homosexualität als Sünde. Die Schweizer Landeskirche ist jedoch recht offen, im Gegensatz etwa zu Frankreich.
Hierzulande setzen sich Basisgruppen und solidarische Menschen seit vielen Jahren für queere Menschen in der römisch-katholischen Kirche ein. Öffentlich sichtbar ist das aber selten.
Offen für alle
Das Bistum Basel hat 2016 als einziges der sechs Schweizer Bistümer einen Arbeitskreis Regenbogenpastoral gegründet. Er steht für eine Seelsorge ein, in der Homo- und Bisexuelle, trans oder inter Menschen willkommen sind. Der Arbeitskreis will zudem für queere Anliegen sensibilisieren sowie Vorurteile und Diskriminierungen abbauen.
Dass es die Regenbogenpastoral gibt, ist ein starkes Zeichen. Gleichwohl gibt es auch im Bistum Basel Grenzen. 2017 etwa verweigerte Bischof Felix Gmür einem geouteten Seelsorger die Arbeitserlaubnis. Das löste viel Kritik aus, vor allem an der Basis. Den Entscheid begründete das Bistum mit dem geltenden Kirchenrecht.
Der Fall zeigt: Die Strukturen der römisch-katholischen Kirche behindern oft einen gleichberechtigten Umgang mit queeren Menschen. Barbara Kückelmann, beim Arbeitskreis Regenbogenpastoral mitverantwortlich als Vertreterin des Bistums Basel, findet es dennoch wichtig, «dass wir das Thema hüten und auf dem neusten Stand der Dinge bleiben.»
Sensibilität fördern
Die Theologin weiss, dass Diskriminierung schon mit der Sprache beginnen kann. Wenn aus dem Religionsunterricht etwa ein Brief komme, der mit der Anrede «liebe Eltern» beginne, sei das problematisch. «Weil das im gängigen Verständnis eine sogenannte normale Vater-Mutter-Beziehung meint», erklärt sie.
Eine Anrede wie «liebe Mütter, liebe Väter» lasse mehr Offenheit zu, so dass sich auch Väter und Mütter einer gleichgeschlechtlichen Beziehung angesprochen fühlten. «Viele Seelsorgerinnen oder Priester sind für solche Anliegen bereits sensibel», betont Barbara Kückelmann.
Angebote für queere Menschen hat der Arbeitskreis Regenbogenpastoral nur wenige. «Aber das gemeinsame Pilgern ist sehr beliebt», erzählt die Theologin. Angebote etwa mit der Jugend- oder Spitalseelsorge zusammen sind denkbar, solche Projekte befinden sich aber noch in der Entwicklungsphase.
«Jesus hat alle Menschen vorbehaltslos geliebt»
Der Arbeitskreis Regenbogenpastoral ist selten operativ. Er berät in erster Linie die Bistumsleitung und Bischof Felix Gmür. «Ich erlebe viel Unterstützung, sie sind offen für unsere Anliegen», sagt Barbara Kückelmann. Auch für Mitarbeitende fungiert der Arbeitskreis als Ansprechpartnerin.
Zum Beispiel, wenn sich ein Seelsorger im Umgang mit Eltern Hilfe wünscht, deren Kind sich als trans geoutet hat. «Da können wir Gespräche anbieten, auf nützliche Literatur verweisen oder Fachstellen vermitteln», sagt Theologin Kückelmann.
Sie erkennt zudem ein grosses Bedürfnis nach offiziell anerkannten Segensfeiern für gleichgeschlechtliche Paare. «Da wäre ich froh, wir kämen bald einen Schritt weiter», hält Barbara Kückelmann fest. «Wir wünschen uns die volle Teilhabe für alle», sagt sie und argumentiert mit Jesus: «Er hat alle Menschen vorbehaltslos geliebt und angenommen.»
Diese Selbstverständlichkeit müsse im Alltag aber noch deutlicher werden.