Angesehene, ältere, verheiratete Männer mit einer stabilen Familie sollen zur Priesterweihe zugelassen werden. Das steht in einem Arbeitspapier zur grossen Amazonassynode im Herbst.
Hintergrund ist der massive Priestermangel im Amazonasgebiet: Die Gläubigen müssen teils Wochen oder gar Monate warten, bis in ihrem Dorf eine Messe gefeiert wird.
Entschieden ist noch nichts – das geschieht erst im Herbst. Doch der Vorschlag ist auf dem Tisch.
Anfang im Amazonas
Mit der Zulassung von sogenannten «viri probati», angesehenen Männern, zur Priesterweihe öffnet sich eine Tür zur Aufweichung des Pflichtzölibats.
Zwar betonen die Verantwortlichen im Arbeitspapier, dass das Zölibat «ein Geschenk der Kirche» sei. Doch kann der Vatikan das Pflichtzölibat nur in einem Gebiet lockern – und es in anderen Teilen der Welt bestehen lassen?
«Offensiv darüber diskutieren»
Der Theologe Roman Rieger ist Leiter der City-Seelsorge in der Stadt St. Gallen. Er sagt: «Auch in der Schweiz gibt es einen Notstand bei den Priestern. Das Ausmass ist ein anderes als im Amazonasgebiet.»
Aber auch hier könnten die Menschen nicht mehr im Quartier, in ihrer Gemeinde Messe feiern, so Roman Rieger. Verheiratete Priester wären da ein Ausweg. «Wenn das an einem Ort der Weltkirche geschieht, gibt es die Chance, auch bei uns offensiv darüber zu diskutieren.»
Rieger erwartet von den Schweizer Bischöfen, dass sie sich mit dem Thema beschäftigen, sollte der Vatikan die Ausnahmeregeln für das Amazonasgebiet beschliessen. «Schliesslich wird ihnen ein Ball zugespielt», sagt er.
Nicht vergleichbare Verhältnisse
Etwas vorsichtiger ist Daniel Kosch. Er ist Generalsekretär der RKZ, der römisch-katholischen Zentralkonferenz der Schweiz, dem Zusammenschluss der Kantonalkirchen. Er ist der Meinung, die Verhältnisse im Amazonas liessen sich nicht mit jenen in der Schweiz vergleichen. Nicht nur wegen der Dimension.
«Die verheirateten Priester im Amazonasgebiet sollen Eucharistie feiern», erklärt er: «Sie sollen aber keine Verantwortung übernehmen.» In der Schweiz hingegen hätten geweihte Priester praktisch immer Verantwortung für eine Gemeinde.
Kommt hinzu, dass auch nicht geweihte Theologinnen und Theologen verantwortungsvolle Jobs wahrnähmen – etwa als Seelsorgerinnen und Seelsorger.
Die Frauenfrage
«Verheiratete Männer weihen, die keine Verantwortung übernehmen, während anderen in Leitungsfunktionen die Weihe versagt bleibt: Das lässt sich nicht verkaufen.» Verheiratete Männer als Priester ja, Frauen nein – hier hat auch Roman Rieger seine Zweifel.
«Viele Männer würden sich aus Solidarität mit den Frauen nicht weihen lassen», glaubt er. Die Amazonas-Lösung einfach in die Schweiz übertragen, könnte also schwierig werden.