Beispiel 1: Saubere Energie für Mali
Energie aus fossilen Brennstoffen wie Kohle und Öl zählt zu den wichtigsten Ursachen des Klimawandels. Mehr als eine Milliarde Menschen, die noch ohne Strom leben, brauchen deshalb von vornherein klimafreundliche Energiequellen.
Im ländlichen Afrika ist das vor allem Sonnenenergie – zumal die Preise für Solaranlagen und Akkus stark gesunken sind. Das Sozialunternehmen «Africa Greentec» des malisch-deutschen Ehepaars Aida und Torsten Schreiber leistet im Sahelland Mali Pionierarbeit.
Ungetüm statt Dieselgenerator
Kai, ein 3000-Seelen-Dorf im Südosten Malis, besteht aus graubraunen Lehmhütten, beschattet von Cashew- und Mangobäumen, zwischen denen bunte Wäsche trocknet.
In einem fensterlosen Schuppen dröhnt ein ölig-russiges Dieselaggregat. Es treibt ein Mahlwerk an, in das junge Frauen Nüsse des afrikanischen Butterbaums schütten. Rotbrauner Brei fliesst in Blechschüsseln. Daraus gewinnen die Frauen Sheabutter, einen begehrten Rohstoff für Kosmetika.
Nebenan schweisst Nuhun Traoré die zerbrochene Felge eines Lastkarrens. «Eigentlich könnten sich die Frauen den Krach des Dieselgenerators ersparen», sagt der junge Schmied, der diesen bis vor Kurzem selbst nutzte, um elektrisch schweissen zu können.
Mit der neuen Technik beginnt sich das Leben im Dorf zu verändern.
«Vor drei Monaten habe ich zum ersten Mal Solarstrom gekauft – von dem neuen Ungetüm dort drüben.» Nun zahle er pro Monat gerade noch ein Drittel dessen, was ihn der Dieselstrom gekostet hat.
Teetrinken im Schatten der Solarpanels
Das «Ungetüm» steht seit einem halben Jahr mitten in Kai: ein Container voller Elektronik, lackiert in den Nationalfarben Malis – gelb, grün, rot. Darauf ein Logo mit den Konturen Afrikas: Africa Greentec.
Über dem Container hängen weit ausladende Dächer aus Solarpaneelen. In deren Schatten trinken ältere Männer in Boubous, bunt gemusterten Gewändern, Tee.
Dies sei ein mobiles Solarkraftwerk, ein «Solartainer», erzählt im Innern des Ungetüms Mamadou Sal, der technische Geschäftsführer des Sozialunternehmens Africa Greentec.
Im Rahmen einer Inspektionsreise erkundet Sal, ob die Obstbauern und Viehhirten in Kai sich angefreundet haben mit der Hightech-Anlage aus Europa.
Air Condition für die Akkus
Der robust gebaute Container hat eine lange Reise hinter sich: Vom hessischen Hainburg, dem Sitz des Unternehmens, nach Hamburg; von dort per Schiff in den Hafen von Abidjan, auf einem Schwerlasttransporter quer durch die Elfenbeinküste und schliesslich über die Buckelpisten Südmalis.
Mamadou Sal öffnet den Batterieschrank. In dessen Schubladen steckt ein Dutzend aktenkoffergrosser Lithium-Akkus, eingebettet in ein Geflecht von Rohren.
«Wir nutzen Lithium-Akkus der neuesten Generation. Die halten sechs bis zwölf Jahre – wenn man sie nicht zu heiss werden lässt. Deshalb haben wir im Batterieschrank eine Klimaanlage installiert.»
Teuer und doch billig
In 20 Dörfern wie Kai hat Africa Greentec bis heute Solartainer aufgestellt. Pro Anlage wurden ein Wachmann und zwei Techniker engagiert. «Die lernen alles, was sie wissen müssen, ‹on the job›.»
Maximal 50 Kilowatt liefert die Anlage in Kai. 180 der 500 Haushalte haben sich einen Stromanschluss legen lassen – zwei Steckdosen und drei LED-Lampen inbegriffen. Der Strom kostet umgerechnet 25 Rappen pro Kilowattstunde tagsüber und 50 Rappen abends.
Das ist viel Geld im Verhältnis zur Kaufkraft in Mali, aber nur halb so teuer wie Dieselstrom. Und es kostet Privathaushalte übers Jahr weniger, als sie früher für Kerosin und Kerzen ausgaben – ohne die Möglichkeit Fernseher, Handys und LED-Leuchten zu nutzen.
Dank Solarstrom geht die Post ab
Im Dorf Kai beginne sich das Leben zu verändern, sagt der Schmied Nuhun Traoré. «Ich habe mir privat einen Fernseher gekauft, meinem Sohn einen Computer und meiner Frau einen Kühlschrank. Unsere Hauptstrasse ist inzwischen nachts beleuchtet und immer mehr Geschäfte führen gekühlte Lebensmittel.»
Auch auf Traorés Werkhof geht jetzt die Post ab. Der Schmied flickt nicht nur zerbrochene Felgen – er schmiedet auch Ackergeräte, repariert Türen, baut Sesselgestelle. «Seit ich zwei Schweissgeräte und eine Flex mit Solarstrom betreibe, wächst mein Geschäft wie verrückt. Letzten Monat habe ich zwei Mitarbeiter eingestellt.»
Beispiel 2: Sicheres Wasser in Bolivien
Weltweit bringt der Klimawandel vielerorts Wassermangel mit sich: Flüsse trocknen aus oder Feuchtgebiete verschwinden.
Die zunehmende Gletscherschmelze in den Anden war eine Ursache der dramatischen Wasserkrise, die 2016 Boliviens Metropolregion La Paz / El Alto heimsuchte.
Indigene Bewohner der 4300 Meter hoch gelegenen Stadt El Alto zeigen nun ihren Mitbürgern und der Regierung, wie man sich anpasst und sorgsamer mit verfügbarem Wasser umgeht.
Mehr Bevölkerung, neue Ideen
El Alto – gelegen auf der Altiplano-Hochebene oberhalb von La Paz – hat heute eine Million Einwohner, überwiegend indigene Aymara. «Jährlich kommen 50'000 Einwohner hinzu», erzählt Ingenieur Guillermo Caliza, Mitarbeiter der kleinen Hilfsorganisation «Red Habitat».
Das Netzwerk aus Ingenieuren, Wasserexpertinnen und Sozialarbeitern kümmert sich um die vom Staat vernachlässigte Wasserversorgung in El Alto – gemeinsam mit engagierten Bürgern.
Eine Anlage am eigenen Haus
Da ist zum Beispiel die Schneiderin Estefa Ramos. Sie lebt im Viertel Atalaya. Das gelb getünchte Häuschen der sechsköpfigen Familie ist umgeben von einem kleinen Garten, in dem Kartoffeln und Zwiebeln wachsen.
Vom Hausdach führt ein graues Kunststoffrohr zu einem Betonsockel. Darauf stehen drei miteinander verbundene Kunststoffzylinder und ein schwarzer Tank. Darunter ein Betonbecken zum Wäschewaschen.
Eine Anlage zum Auffangen des Regenwassers, erklärt Guillermo Caliza.
Unser Projekt soll die ländliche Tradition der Regenwassernutzung in die Stadt tragen.
Regensammeln hat Tradition
Regenwasser zu sammeln habe eine lange Tradition bei den Ureinwohnern Boliviens. «Red Habitat hat die Technik des Regensammelns verbessert, sodass Bewohner El Altos Regenwasser jetzt problemlos in Bad und Haushalt benutzen können.»
Die Tanks hätten die Menschen in Workshops gemeinsam hergestellt, wie auch den vorgeschalteten dreistufigen Filter. «Dieser entfernt zunächst grobe Verunreinigungen aus dem Wasser – und schliesslich auch ganz feine Partikel.»
Wasser für die Kartoffeln
Estefa Ramos legt ein paar Blusen ins Becken und dreht den Wasserhahn auf. Brauchwasser, sagt sie, fliesse in die Klospülung und die Bewässerung ihrer Kartoffeln.
«Als ich von dem Projekt hörte, war ich gleich Feuer und Flamme. Ich hatte ja vorher schon Regenwasser aufgefangen – zum Putzen vor allem. Dazu hatte ich einfach ein Fass an die Regenrinne unseres Hauses gestellt.»
Das neue Projekt sei in der Gemeindehalle ausführlich besprochen worden und man habe sich gemeinsam um die Teile gekümmert. «Jetzt habe ich genug Wasser zum Wäschewaschen und Geschirrspülen, für Dusche und Toilette.»
Das Projekt inspiriert Nachbarn – und die Regierung
Red Habitat habe 130 Haushalte in Atalaya mit Regenauffanganlagen ausgestattet, erzählt Guillermo Caliza – für rund 200 Franken pro Anlage.
Das Modellprojekt im Viertel Atalaya solle die ländliche Tradition der Regenwassernutzung in die Stadt tragen, sagt David Quezada, der Leiter von Red Habitat. Das sei nachhaltige Anpassung an den Klimawandel.
Etliche Nachbarn der Familie Ramos haben sich bereits inspirieren lassen und auf eigene Faust Regenauffanganlagen gebaut. Auch Boliviens Regierung habe angebissen, sagt Quezada stolz.
«Wir haben dem Wohnungsbauministerium einen Leitfaden vorgelegt, der die Technik detailliert erläutert. Inzwischen hat die Regierung bei Hausbauprogrammen im ländlichen Bolivien 120'000 Wohnungen mit ähnlichen Regenauffanganlagen ausgestattet.»
Regen in Trinkwasser verwandeln
Ohne Red Habitat gäbe es diese Anlagen wohl nicht, meint der Leiter der Organisation. Demnächst will er den Prototypen einer Anlage vorstellen, die Regenwasser in Trinkwasser verwandelt.
Eine Alternative vielleicht für hunderttausende Bewohner El Altos, die sich bis heute kostspielig mit Wasser aus Tankwagen versorgen.
Beispiel 3: Aufgeforstete Wälder in Schottland
Wald absorbiert gewaltige Mengen Kohlendioxid – und zählt deshalb zu den wichtigsten Hoffnungsträgern im Kampf gegen den Klimawandel. In Ländern wie Brasilien oder Indonesien wurde aber allein 2018 Wald von fast der Grösse Englands abgeholzt.
Ähnlich wichtig wie der Kampf gegen weitere Abholzung ist es, Waldflächen wieder aufzuforsten.
Schottland als Vorbild
Wie erfolgreich dies sein kann, zeigt ein Beispiel aus Europa: Schottland war vor einigen hundert Jahren weitgehend bedeckt mit Regenwald, dem Caledonian Forest.
Der Mensch holzte den Wald ab – vor hundert Jahren war er auf gerade noch vier Prozent der Landesfläche geschrumpft.
Dann jedoch begannen die Schotten die grösste Wiederaufforstung in der Geschichte Europas. Sie läuft bis heute, getragen von der Regierung und zahlreichen Privatinitiativen wie dem «National Trust for Scotland».
Inzwischen sind wieder 19 Prozent Schottlands bewaldet. 2050 sollen es 25 Prozent sein.
Im Altersheim für Bäume
Vom Bergsteigerdorf Braemar am Rande des Cairngorms-Nationalparks in den östlichen Highlands sind es zehn Minuten den River Dee entlang: Dann gelangt man zum Mar Lodge Estate, mit 290 Quadratkilometern der grösste Landbesitz des National Trust for Scotland.
Von einem mit uraltem, 30 Meter hohem Kiefernwald bewachsenen Hügel fällt der Blick hinab ins weite Tal des River Dee, aus dem vielfältige Vogelstimmen zu hören sind.
Mitte der 1990er-Jahre habe der Trust Mar Lodge erworben, erzählt Shaila Rao, die Ökologin des Guts. «Als ich zum ersten Mal durch diesen Wald lief, hatte ich das Gefühl, durch ein Altersheim für Bäume zu wandeln: Durch einen allmählich sterbenden Wald, der ausschliesslich aus 200 bis 500 Jahre alten Bäumen bestand.»
Jagd ist ein wichtiges Geschäft
Mar Lodge sei 200 Jahre lang ein Jagdgut gewesen, berichtet Rao. Jagden auf Hirsche, Rehe und Moorhühner seien die wichtigste Einnahmequelle gewesen – und für mehrere Nachbargüter sei das bis heute so.
Deshalb täten die alles, um die Zahl der Wildtiere möglichst hoch zu halten. Aber das viele Rotwild habe sämtliche nachwachsende Bäume auf Mar Lodge Estate verbissen.
Für Waldbesitzer gebe es zwei Wege, nachwachsende Bäume vor Wildverbiss zu schützen, erklärt in Edinburgh Dominic Driver. Er ist Leiter des Referats Naturerbe beim National Trust for Scotland.
Man könne den Wald einzäunen, was aber seine Ausdehnung ins Umland verhindere. Oder man könne Hirsche und Rehe zu Tausenden abschiessen – was unweigerlich zum Krach mit Nachbarn führe, die mit hohem Wildbestand Geld verdienen.
Diesen Krach nahmen die Waldschützer des National Trust in Kauf, als sie tausende Hirsche erlegen liessen. Nach einigen Jahren habe der Wald tatsächlich begonnen, sich zu regenerieren, berichtet Shaila Rao.
Sie deutet von der Hügelkuppe hinunter in ein Seitental des River Dee. Dort stehen «Granny Pines», Grossmutter-Kiefern. Am Hang gegenüber wächst nicht nur, wie fast überall hier, öde Heide. Sondern aus der Heide ragen hunderte junge, bis zu sechs Meter hohe Kiefern, die den Hügel zusehends erobern.
«Diese Kiefern werden die Heide im Laufe der Zeit immer stärker beschatten. Und weil Heide keinen Schatten mag, wird sie verschwinden, während die Bäume wachsen.»
Lukrative Jagd auf Moorhühner
Gegen die Wiederbewaldung der für die Highlands heute typischen Heide kämpft derweil die Scottish Gamekeepers Association (SGA) in der Stadt Perth. Deren Sprecher Bob Connelly zeigt ein Video, auf dem eine Flotte teurer Geländewagen über Highland-Pfade prescht.
Der Wald ist wichtiger für Schottland und das Klima als die Interessen der Jäger.
Jäger in eleganten Anzügen schiessen aus in den Boden eingelassenen Ansitzen auf schwarze Moorhühner mit rotem Kamm, die über die Heide flattern.
Derlei Jagd auf Moorhühner mache wirtschaftlich nur dann Sinn, wenn man auch hunderte Vögel auf die Gewehre zahlender Kundschaft treiben könne, sagt Connelly.
Vogelbestand für reiche Kunden
In Schottland zu jagen ist ein Vergnügen für Schwerreiche. Für das Jagdvergnügen zahlt eine Gesellschaft von sechs Personen 3000 Pfund pro Tag.
Um dafür genügend Vögel hervorzubringen, müsse man die Landschaft entsprechend gestalten, erklärt Connelly.
«Moorhühner brauchen Heideflecken mit ganz jungem Kraut, von dem sie sich ernähren. Und sie brauchen höher gewachsenes Kraut, damit sie sich verstecken und Nester bauen können.»
Deshalb brenne man immer wieder Teile der Heide ab. «Das ergibt dann dieses Patchwork-Muster, das Sie an den Hängen sehen.»
Die Patchwork-Heide ist ökologisch verarmt. Soll sie um des Jagd-Vergnügens und einiger Arbeitsplätze willen tausende Quadratkilometer Highlands einnehmen?
«Nein», sagt die Ökologin Shaila Rao. «Mehr Wald ist wichtiger für Schottland und das Klima als die Interessen der Jäger – und auch wichtiger als die grandiosen Ausblicke der Touristen über lila blühende Heide.»
Neuen Lebensraum schaffen
Fast trotzig blickt Rao auf einen schneebedeckten Berg im Norden des Gutes Mar Lodge. «Kiefern wachsen bei uns inzwischen weit die Hügel hinauf – bis auf 700 Meter Meereshöhe. Bestimmte Bergkiefern, wie die Krüppelkiefer, finden wir sogar auf 900 Metern Höhe, und in deren Gesellschaft Wacholder, Zwergbirken und Kriechweiden.»
So entstehe neuer Lebensraum auch für Waldvögel: für Goldhähnchen, Spechte, Schottland-Kreuzschnäbel und Kornweihen. Von letzteren brüten sieben Paare auf Mar Lodge Estate.
Ein kleiner Erfolg in der grossen Herausforderung des Klimawandels.