Nach seinem ersten Erscheinen 1923 entwickelte sich das Kochbuch von Elisabeth Fülscher zum Standardwerk. Bis 1966 erschienen zahlreiche Neuauflagen. Fülscher starb 1970, dass ihr Buch trotzdem auch heute noch in Schweizer Küchen präsent ist, ist Susanne Vögeli zu verdanken.
Das Kochbuch von Elisabeth Fülscher begleitet die Kochexpertin Vögeli schon das ganze Leben. In der Küche ihrer Mutter war es präsent. «Das Fülscher war für mich als Kind auch ein Bilderbuch», erzählt Vögeli.
Sie staunte auch allenthalben, welch feine Sachen die Mutter mithilfe des Kochbuchs zauberte. So hat Susanne Vögeli Kochen gelernt und später wie Elisabeth Fülscher eine Kochschule gegründet.
Vor einigen Jahren hat Vögeli dazu beigetragen, die letzte Auflage des Fülscher-Kochbuches von 1966 wieder aufzulegen. Zum 100. Geburtstag der Erstausgabe folgt nun unter dem Titel «Fülscher heute» eine Mischung aus Essayband und modernisierter Rezeptsammlung.
Könnerschaft und Sparsamkeit
Das «Fülscher» hat mit seinen 1765 Rezepten in den vergangenen 100 Jahren Generationen von Hausfrauen und Kochfreudigen geprägt. Heute funktioniert das Standardkochbuch auch als Flaschenpost aus einer anderen Zeit: Anhand des «Fülschers» lässt sich der Wandel der Koch- und Esskultur anschaulich erzählen.
Elisabeth Fülscher kochte ohne aufgeladene Ideologie: Es war normal, dass alles von Hand gemacht war, dass vom Tier alle Teile zum Einsatz kamen, dass Reste wieder verwendet wurden. Die Vielfalt, das Gesunde und Echte waren selbstverständlich. Mit einem Hauch Amerika, einer Prise Frankreich und einem duftenden Tupfer aus Asien erweiterte Fülscher das Angebot.
In den letzten 100 Jahren hat sich rund ums Essen und Kochen aber einiges radikal geändert: Grosse Bevölkerungsteile haben die Möglichkeit, viel mehr Kalorien zu sich zu nehmen als nötig.
Heute kann die Bratwurst aus Lupinen, der Lachs aus fermentierten Karotten, das Gulasch aus Dinkel hergestellt sein. Das Gemüse kann im Zentrum eines Gerichtes stehen.
Von der theatralen Inszenierung zum Lifestyle
So wie sich die Haltung gegenüber dem kulinarischen Genuss verändert hat, hat sich auch die Bildgestaltung gewandelt. Legte Elisabeth Fülscher Wert auf eine theatrale Inszenierung der Speisen, muss das Essen in heutigen Kochbüchern essbar aussehen.
Die zeitgenössische Food-Fotografie nimmt alles in den Fokus, vom Einkauf auf dem Markt bis zum Servieren, die Abbildungen in den Kochbüchern von Yotam Ottlenghi oder Tanja Grandits verkaufen auch Lifestyle.
Diesen Wandel der Koch- und Esskultur haben in «Fülscher heute» unter anderem der Volkskundler Walter Leimgruber oder die Kultur- und Literaturwissenschaftlerin Elisabeth Bronfen unter die Lupe genommen und ihre Recherchen in kluge Essays gepackt. Susanne Vögeli hat 70 Rezepte ausgewählt, kommentiert und modernisiert.
Das Resultat ist eine anregende und sympathische Mischung aus Lese- und Kochbuch.