Das Wichtigste in Kürze:
- Die britische Autorin Elizabeth David (1913–1992) war eine Weltenbummlerin.
- Ihr Werk «Die französische Küche» ist auch in Frankreich erfolgreich.
- Viele Kochtrends von heute hatte Davids bereits vor über 50 Jahren vorweggenommen.
Segel setzen und ab über den Ärmelkanal nach Frankreich. Was wie ein Abenteuerroman beginnt, ist bestimmend für die wirkungsmächtigste Kochbuchautorin Englands im 20. Jahrhundert.
Elizabeth David flieht im Juli 1939, kurz vor Kriegsbeginn, zusammen mit ihrem Gefährten Charles Gibson-Cowan aus London und lässt das Schauspielerinnenleben hinter sich. Im Segelboot erreichen die beiden Frankreich, durchkreuzen das Kanalsystem und stranden schliesslich an der Côte d’Azur in Antibes.
«Verdammt gute Lebensregel»
Dort trifft die Abenteurerin, die in Paris einst Literatur und Kunst zu studieren begann, auf den Schriftsteller Norman Douglas. Sie ist 24 und macht sich die Lebenseinstellung des 72-jährigen Lebenskünstlers eigen.
«Tue stets, was du möchtest, schicke jeden zur Hölle und trage die Konsequenzen», schreibt Douglas in Davids Exemplar seines Reisebuchs Old Calabria, und fügt hinzu: «Verdammt gute Lebensregel.»
In Sizilien festgenommen
Davids Geschichte klingt wie eine Legende. Sie und Gibson-Cowan segeln 1940 «Richtung Osten». In der Strasse von Messina fallen sie der Militärpolizei in die Hände.
Spionageverdacht heisst es, Boot und Besitz werden beschlagnahmt, die Weltenbummler festgesetzt. Die Sache klärt sich und das Paar nimmt Kurs auf die griechische Insel Syros.
Mediterrane Zutaten als Essenz
In Syros, zwischen Zitronen- und Olivenbäumen, umgeben vom mediterranen Alltag und seiner einfachen Küche, findet Elizabeth David zum Kern ihrer Kochethik. Sie experimentiert in den nächsten fünf Jahren mit den Zutaten des Mittelmeerraumes: Zitronen, Feigen, Melonen, Auberginen, Zucchini, Paprika, Oliven und Olivenöl.
Das «faites simple», was so viel wie «halte es einfach» bedeutet, des französischen Meisterkochs Auguste Escoffier hält David für dessen zwei «wichtigsten Worte». In Griechenland setzt sie diese in die Tat um.
Die Farben des Mittelmeeres
1946, zurück in London, beginnt sie über die Farben und Düfte des Mittelmeers zu schreiben, um sich aufzumuntern. Aus dieser Aufmunterung wird eine Obsession.
David fahndet in London nach Safran und Kräutern, schreibt kulinarische Artikel für renommierte Zeitschriften wie «Vogue» und «Spectator» und gibt daneben ihre akribisch recherchierten Kochbücher heraus. Darunter «Summer cooking» und 1971 ein Buch, das die englische Brotkultur wieder erweckt: «English Bread an Yeast Cookery».
Britin erklärt französisches Essen
Sie wagt sich als Britin in die französischen Küchen. 1960 schreibt sie einen Klassiker, der auch Frankreich erobern sollte: «Die französische Küche».
David erforscht nicht die Haute Cuisine, sondern die Alltags- und Sonntagsküche Frankreichs: etwa Pipérade (aus Eiern und Paprika) aus dem Baskenland, Gougère (ein Käsegebäck aus Brandteig) aus dem Burgund, Variationen der Bouillabaisse (der Fischsuppe) aus Marseille oder den «Triumph der provençalischen Küche»: Aïoli, eine Mayonnaise mit etwa «2 Knoblauchzehen pro Person und, für 8 Personen, 3 Eidotter und 500ml sehr gutes Olivenöl.»
Jamie Oliver als Erbe Davids
Alles, was heute angesagt ist – saisonal, regional, frische Zutaten, kein Firlefanz – feiert David in ihrem Klassiker von 1960 und rückt das Bild französischer Küche und ihrer nervenaufreibenden Kompliziertheit zurecht. Frankreichs Küche hat viele Gesichter. Diese aufgearbeitet und rehabilitiert zu haben, ist der Verdienst einer Besessenen.
Sie lebt heute in Kochstars wie Jamie Oliver und der Food-Aktivistin Alice Waters weiter. Mit dieser sorgfältigen Erstübersetzung könnte es Elizabeth David endlich auch in deutschsprachige Küchen schaffen.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur-Aktualität, 14.11.2017, 17.22 Uhr.