Das Kloster Königsfelden in Windisch im Kanton Aargau war im Mittelalter mehr als nur ein Kloster. Es war zugleich auch Sitz der habsburgischen Königin Agnes von Ungarn. Auch wenn sie heute nur wenige kennen, war sie eine der mächtigsten Frauen der Schweiz.
Erbaut hatte das Kloster Agnes' Mutter Elisabeth, um ihrem Mann Albrecht von Habsburg zu gedenken. Dieser war an derselben Stelle von seinem Neffen ermordet worden, der sich um sein Erbe betrogen fühlte.
Grundstein für die Weltmacht Habsburg
Agnes von Ungarn wurde in jungen Jahren mit dem ungarischen König verheiratet. Als dieser nach wenigen Jahren starb, machte sie Königsfelden zu ihrer Residenz. Damit legte sie den Grundstein für den Aufstieg der Habsburger zur Weltmacht.
Obwohl sie formal die Königin von Ungarn gewesen sei, könne man sie als «Königin der Schweiz» bezeichnen, sagt der Zürcher Geschichtsprofessor Simon Teuscher. Mittelalterliche Herrscherinnen und Herrscher hätten vor allem regiert, indem sie in Streitfällen vermittelten: «Und das machte Agnes von Ungarn ganz ausgeprägt.»
Wirkmächtige Schlichterin
So habe sie nicht nur das Kloster verwaltet, sondern auch zahlreiche Konflikte zwischen Bern und Zürich sowie zwischen Adligen in der Region geschlichtet. «Damit hat sie Herrschaft ausgeübt», so Teuscher.
Seit Kurzem lässt sich die Geschichte der Habsburgerin und ihres Klosters mit einer frei zugänglichen Online-Edition erforschen. Historikerinnen und Historiker der Universität Zürich haben dafür das Klosterarchiv neu erschlossen und alle Dokumente von der Gründung bis zur Aufhebung des Klosters transkribiert und digitalisiert.
Aktenbündel auf dem Nachttisch
Von einem Archiv im modernen Sinne könne man dabei kaum sprechen, so Teuscher, der am Projekt beteiligt war. «Es waren eher Aktenbündel, die bei den Leuten aufbewahrt wurden, quasi auf dem Nachttisch der Königin.» Erst mit der Zeit entstand daraus ein Archiv.
Wie im Mittelalter üblich kopierte man wichtige Dokumente und sortierte sie immer wieder neu. Dadurch wurde das Archiv etwa dreizehnmal umorganisiert. Diese Veränderungen sorgten dafür, dass die wirkmächtige Königin fast in Vergessenheit geriet. Wie es dazu kam, macht die digitale Edition nun erstmals sichtbar.
In der Schublade verschwunden
Die digitale Edition macht sichtbar, wo ein Dokument zu verschiedenen Zeitpunkten einsortiert war, erklärt Teuscher. «Und es ist natürlich ein Riesenunterschied, ob eine Urkunde bei den Königsprivilegien eingereiht wird, oder ob sie in irgendeiner Schublade verschwindet.»
Letzteres war der Fall, als Bern den Aargau eroberte: Weil sich die Berner als Nachfolger der Habsburger-Dynastie verstanden hätten, sei Agnes von Ungarn unter bernischer Herrschaft einfach in der Abfolge männlicher Herrscher verschwunden, also unsichtbar gemacht worden.
Auch sonst beleuchtet die Edition die damalige Geschlechtsordnung, etwa, was den regionalen Adel betrifft, der im Gefolge der Habsburger Ämter ausübte. Dieser war nicht nur über die Männer, sondern auch über die Töchter organisiert, die gemeinsam im Kloster sassen. Adelige Frauen hatten also im Mittelalter mehr Macht als gemeinhin angenommen.