Über 600 Kirchgemeinden und Pfarreien haben bereits Abstimmungsmaterial bestellt. Grosse Organisationen wie die Bischofskonferenz, die evangelisch-reformierte Kirche Schweiz und der Verband der Freikirchen Schweiz haben die Ja-Parole herausgegeben.
Man könnte meinen, die gesamte Schweizer Kirchenlandschaft stünde hinter der Konzernverantwortungsinitiative KVI.
Moralischer Druck
Genau das stört Ulrich Knöpfel, Kirchenratspräsident der reformierten Landeskirche Glarus: «Es braucht heutzutage Mut in der Kirche gegen die KVI aufzutreten.» Er beobachte «eine übermächtige und bisweilen auch aggressive Kampagne der Befürworter.» Das erzeuge moralischen Druck.
Um zu zeigen, dass es auch innerhalb der Kirche Gegner der KVI gibt, hat Ulrich Knöpfel gemeinsam mit anderen das Ethik-Komitee gegründet, das sich für den Gegenvorschlag einsetzt.
Knöpfel betont: «Man kann auch ein guter Christ sein, wenn man die KVI ablehnt.» Er sehe ein, dass die Initiative christliche Werte wie Solidarität mit den Schwachen vertrete. Doch er hält die Mittel der Initiative für falsch.
«Christin zu sein, hat mit Haltung zu tun»
Ganz anders sieht dies Patricia Machill, Pfarreiseelsorgerin im Zürcherischen Pfäffikon. Ihre Pfarrei hat auf ihre Initiative hin an der Pfarreiversammlung beschlossen, die KVI zu unterstützen. Die Unterlagen und das Banner für den Kirchturm sind bestellt. «Christin zu sein, ist meiner Meinung nach keine reine Privatsache, sondern hat auch mit Haltungen zu tun», erklärt Machill.
Diese Haltung könne sie bei der KVI zum Ausdruck bringen. Den Vorwurf, dass die Befürworter der Initiative moralischen Druck aufbauen, lässt Patricia Machill nicht gelten. Ihre Pfarrei habe den Entscheid, die KVI zu unterstützen, demokratisch gefällt. Sie schreibe niemandem vor, was er oder sie abzustimmen habe.
Informationen liefern, statt Einfluss nehmen
Ein ganz anderes Problem mit dem Abstimmungskampf in der Kirche hat Michel Müller. Der Kirchenratspräsident der reformierten Landeskirche Zürich ruft in Erinnerung: «Wir als Kirchen müssen ausgeglichen informieren – aufklären, nicht beeinflussen.»
Der Zürcher Kirchenrat hat deshalb sein Merkblatt zu Rechten und Pflichten bei Abstimmungen überarbeitet und neu verschickt. Darin steht klar: Banner an Kirchentürmen oder anderen Kirchgebäuden und einseitige Informationen sind verboten.
Banner verboten
«Die Kirchgemeinden und Pfarreien sind in den meisten Kantonen öffentlich-rechtliche Organisationen. Sie müssen sachlich bleiben», betont Michel Müller. Sonst riskierten sie eine Abstimmungsbeschwerde und im Extremfall müsse die Abstimmung wiederholt werden.
Unübliches Engagement
Dass sich die Kirchen in den Abstimmungskampf einmischen, ist unüblich. Es gibt zwar Themen, bei denen sich Kirchgemeinden, Pfarrerinnen oder gar die Landeskirchen klar positionieren, etwa in der Flüchtlingspolitik. Zudem beschliesst die Bischofskonferenz ab und zu Parolen zu Abstimmungen, in letzter Zeit etwa zum neuen Asylgesetz.
Doch dass Pfarreien und Kirchgemeinden im ganzen Land, sowie die meisten kirchlichen Organisationen sich für ein Thema einsetzen, ist äusserst selten. Zuletzt war dies bei der No-Billag-Initiative der Fall.
Trotz Kritik mobilisiert die Initiative
Das kirchlich-politische Engagement führt auch immer wieder zu Kritik. So hatte sich vor zwei Jahren ein Think-Tank gebildet, der sich gegen zu viel Politik in den Kirchen aussprach. Und dennoch: Die Konzernverantwortungsinitiative mobilisiert das politische Kirchenvolk – mehr als irgendeine andere Abstimmung der letzten Jahre.