Das Theresianum Ingenbohl in Brunnen ist eine Schule mit langer Tradition: Seit 1860 werden hier junge Frauen ausgebildet. Die Schule ist eine der letzten Mädchenschulen der Schweiz.
Nun soll das Theresianum Ingenbohl aber mit der Kantonsschule Kollegium Schwyz zusammengelegt werden. Ob die Mädchen dann noch getrennt unterrichtet werden, ist ungewiss.
Keine «nervenden Männer»
In vielen Ohren mag das Konzept des getrennten Unterrichts ohnehin gestrig klingen. Die Schülerinnen aber sind überzeugt von ihrer selbstgewählten Unterrichtsform, erzählt die Rektorin Christine Hänggi. «Viele Schülerinnen sagen, dass sie sich hier besser konzentrieren könnten, weil die Männer sie nicht nerven würden.»
Andere seien froh, sich nicht stylen zu müssen, weil sie nicht nach Äusserlichkeiten bewertet würden. «Eine junge Frau meinte auch mal, dass es weniger Zickenkrieg gebe.»
Unterschiedlicher Entwicklungsstand
Die Schülerinnen am Theresianum Ingenbohl sind mehrheitlich zwischen 14 und 19 Jahre alt. Christine Hänggi ist überzeugt, dass gerade in diesem Alter eine geschlechtergetrennte Schule sinnvoll ist: «In dieser Zeit kann der Entwicklungsstand von jungen Männern und jungen Frauen sehr unterschiedlich sein.» An einer Mädchenschule könne man dem speziell Rechnung tragen.
Für die Rektorin ist aber noch etwas wichtig: «Die Mädchen werden hier nicht gestört von Jungen, die vielleicht lauter, schneller und lebendiger sind. Sie können sich wirklich unter sich entwickeln», sagt Christine Hänggi.
Veraltetes Konzept?
So attraktiv das auch klingen mag – sehr beliebt ist es nicht. Reine Mädchenschulen gibt es praktisch keine in der Schweiz. Auch in der Forschung sind sie kein Thema mehr.
Mädchen und Buben in der Schule komplett zu trennen, sei passé, bestätigt Katharina Maag Merki, Professorin am Institut für Erziehungswissenschaft der Uni Zürich. «Im Kleinen gibt es aber eine Debatte über geschlechtergetrennten Unterricht. Zum Beispiel, wenn es um einzelne Fächer geht oder um punktuelle Dinge, die man während des Unterrichtes nur mit Mädchen oder Knaben bearbeitet.»
Setting für mehr Freiraum
Die Professorin spricht von den sogenannten MINT-Fächern: Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. «Mädchen interessieren sich dafür weniger und trauen sich da oft auch weniger zu.» Wenn die Jungs weg sind, sei das mitunter anders.
Deshalb brauche es ein spezielles Setting, in dem Mädchen sich getrauen, mathematische Probleme zu lösen oder sich mit Physik auseinanderzusetzen, so Maag Merki.
Individuell stärken statt Separieren
Geschlechtergetrennt zu unterrichten, kann also punktuell immer noch sinnvoll sein. Um den unterschiedlichen Bedürfnissen von Mädchen und Knaben gerecht zu werden, setze man heute aber weniger aufs Separieren, sondern auf besseren Unterricht.
«Innerhalb eines Unterrichts, den ich als gut bezeichnen würde, wird individualisiert und nach Interessen unterrichtet», hält die Pädagogikprofessorin fest. In so einem Unterricht müssten sowohl Interessen der Schülerinnen, aber auch Interessen der Schüler abgedeckt werden können.
Ausserdem hätten die meisten Mädchen heutzutage auch untereinander völlig unterschiedliche Interessen. Das Gleiche gelte für Knaben. Bei so viel Vielfalt macht eine Geschlechtertrennung also kaum mehr Sinn.