Das Wichtigste in Kürze:
- Laut dem Philosophen Jason Brennan hat die Demokratie ein Problem: Die grosse Zahl uninformierter Wähler führt zu unvernünftigen Entscheidungen.
- Seine Lösung – eine «Herrschaft der Wissenden»: Informierte Wähler sollen mehr Gewicht bekommen, oder Uninformierte ausgeschlossen werden.
- Er schlägt vor, dass Wähler einen Wissenstest ablegen: Nur wer sich den «Wahlführerschein» verdient, darf an die Urne.
Wähler kommen schlecht weg bei Jason Brennan. Für den US-amerikanischen Philosophen sind die meisten entweder «Hooligans», also blinde Parteigänger mit fest zementierter Weltsicht. Oder «Hobbits».
«Hobbits» nennt Brennan Wähler, die so gut wie nichts über die politischen und ökonomischen Zusammenhänge wüssten, über die sie abstimmen. Wahlen sind daher für Brennan bloss «Beliebtheitswettbewerbe für Uninformierte».
Beliebtheitswettbewerbe für Uninformierte
Um gewählt zu werden, sagt Brennan, müsse ein Kandidat sich für eine Politik stark machen, die seinen potentiellen Wählern gefällt.
Für Politiker gebe es also starke Anreize, sich nach dem Durchschnittswähler zu richten – auch wenn sie selbst es besser wissen.
«Werden Politiker dann gewählt, setzen sie oft eine Politik um, die viel klüger ist», meint Brennan. «Ich möchte sie fast dafür loben, dass sie dem Populismus nicht Vorschub leisten.»
Jede Stimme zählt gleich viel
Jason Brennan ist überzeugt, dass im System der repräsentativen Demokratie ein grundlegender Fehler steckt: Jede Stimme zählt gleich viel. Es gibt weder Abstriche für Unkenntnis noch Pluspunkte für Wissen.
Der Anreiz, sich zu informieren, sei daher gleich null. In seinem neusten Buch schreibt Brennan: «Fällt die Mehrheit eine unvernünftige Entscheidung, so müssen auch alle, die nicht der Mehrheit angehören, die Konsequenzen tragen.»
Wähler brauchen einen Führerschein
Dass die Demokratie für viele Menschen einen hohen symbolischen Wert besitzt, lässt Brennan als Argument nicht gelten. Demokratie sei schliesslich kein Selbstzweck, schreibt er in seinem Buch: «Demokratie ist ein Instrument zum Zweck der Regierungsführung. Und wenn es ein besseres Instrument gibt, sollten wir es ausprobieren.»
Als Alternative propagiert Jason Brennan eine gemässigte Form der Epistokratie, der «Herrschaft der Wissenden». Zur Umsetzung schlägt er unter anderem einen Wissenstest vor, der zu einem «Wahlführerschein» berechtigt. Wer den Test nicht besteht, darf auch nicht wählen.
Epistokratie – die «Herrschaft der Wissenden»
Die Epistokratie, die Jason Brennan vorschwebt, sei immer noch ein repräsentatives Regierungssystem mit weitverbreiteten Wahlen.
Auf die eine oder andere Weise gewichte man die Stimmen der informierten Wähler aber mehr, sagt er: «Zugleich verringert man den Einfluss der nicht informierten Bürger – um so eine bessere Regierung zu bekommen.»
Wer entscheidet, wer wählen darf?
Keine Frage: Jason Brennan polarisiert. Und provoziert. Natürlich weiss der Autor sehr genau: Informiertheit ist kein Garant für vernünftige Wahlentscheidungen.
Die Chancen dafür stehen in seinen Augen aber wesentlich höher, wenn die Wähler informiert sind. Wer aber soll den Wandel anstossen? Und wer soll entscheiden, wer wählen darf?
Umsetzung in weiter Ferne
Hier bleibt Jason Brennan im Konjunktiv stecken. Eine konkrete Umsetzung sieht er in weiter Ferne. Oder im Rahmen von Modellversuchen.
Sendung: SRF 1, Sternstunde Philosophie, 30.4.2017, 11:00 Uhr.