Schon als Kind passte George M. Johnson nicht in die Geschlechterschubladen. Es gab keine Romane, in denen sich die non-binäre Autorenperson wiedererkannt hätte: «Wir waren unsichtbar. Es gab keine LGBTQ-Figuren in Büchern und kaum schwarze Charaktere.»
Johnson hielt sich an den Rat der afroamerikanischen Autorin Toni Morrison: «Wenn es ein Buch gibt, das du lesen möchtest, es aber noch nicht geschrieben wurde, dann musst du es schreiben.»
2020 erschien «All BoysAren’t Blue». Johnson erzählt von der Jugend in den Bundesstaaten New Jersey und Virginia, wo Johnson als schwarzer, homosexueller Junge aufwuchs und seine Sexualität verbarg.
Landesweit 1500 Verbote
Solche Bücher seien völlig unangemessen für eine Schulbibliothek, heisst es an Sitzungen von Schulräten. Empörte Konservative lesen einzelne Passagen vor und verlangen, dass die Bücher aus den Schulen verbannt werden.
Mit Erfolg: Die Zahl der «Book Bans» hat an US-Schulen sprunghaft zugenommen und 2022 einen vorläufigen Höchststand erreicht. Im laufenden Schuljahr zählte der Autorenverband «PEN America» landesweit fast 1500 Buchverbote.
«Wir sehen Koordination zwischen Gruppierungen, die vielfach im Zuge der Pandemie gegründet wurden», erklärt Nadine Farid Johnson, Direktorin von PEN America. «Sie teilen Listen mit unliebsamen Büchern.»
Moms gegen Queere
Konservative Gruppen wie «Moms for Liberty» verstehen sich als Advokatinnen für Elternrechte. Sie richten sich besonders gegen Bücher, die queere Themen behandeln.
Die Bücher seien pornografisch oder würden die Geschichte der USA verdrehen. Die Werke sollen nicht nur für die eigenen Kinder, sondern im ganzen Schuldistrikt nicht mehr verfügbar sein.
Das sei Zensur, durchgesetzt von einer lauten Minderheit, heisst es von PEN America. Tatsächlich ist gemäss Umfragen eine grosse Mehrheit in den USA gegen das Verbannen von Büchern.
Schützenhilfe durch die Politik
In republikanisch regierten Bundesstaaten schränkt auch die Politik ein. Besonders häufig sind Buchverbote in Florida. Hier sieht ein neues Gesetz unter anderem vor, dass Bibliothekare ein staatliches Programm durchlaufen, das erklärt, welche Inhalte in Schulen erlaubt sind und welche nicht.
«Bibliothekare sagen: ‹Wir kaufen gewisse Bücher nicht mehr, nehmen sie aus den Regalen. Wir wollen uns nicht haftbar machen›», so die PEN-Direktorin.
Verbannter Bestseller
Nur wenige Bücher werden so häufig verbannt wie jenes von George M. Johnson. Es schaffte es trotz – oder vielleicht wegen – der vielfachen Verbannung auf die Bestsellerliste der «New York Times». Die Verbote hätten «All Boys Aren’t Blue» mehr Aufmerksamkeit verschafft, auch, weil Johnson sich öffentlich dagegen wehrt.
Doch das gelte nicht für alle Autorinnen, sagt Johnson. «Wir tragen diese Verbote zwar als eine Art Ehrenabzeichen. Aber wir wollen vor allem, dass unsere Bücher zugänglich sind für Schülerinnen und Schüler.»
Ohne Bücher keine Antworten
Johnson versuche, das Buch über andere Kanäle zugänglich zu machen, etwa über eine Internetlesung. Mancherorts gründen Jugendliche Buchklubs mit verbotenen Büchern.
Doch Johnson vermutet, dass es vor allem in ländlichen Gebieten ernste Folgen habe, wenn Bücher aus den Bibliotheken verschwinden. So wachsen wieder Jugendliche heran, die merken, dass sie anders sind, in der Schulbibliothek aber keine Antworten finden.