Das Wichtigste in Kürze:
- Für den Wahlkampf von Marine Le Pen und Emmanuel Macron spielt Kulturpolitik eine eher geringe Rolle.
- Ihre Ideen für die Kultur Frankreichs zeigen aber ihre grundsätzlich verschiedenen politischen Ideale.
- Le Pen will konservatives und einheimisches Kulturschaffen fördern, Macron sieht Kultur als Teil einer liberalen Wirtschaft .
Kaum Wahlkampf mit Kultur
Die Kultur war fast kein Wahlkampfthema in Frankreich. Die Vorschläge der beiden Kandidaten der Stichwahl am kommenden Sonntag, Emmanuel Macron und Marine Le Pen, muss man in ihren Programmen oder Reden mit der Lupe suchen.
Das ist eigentlich erstaunlich für eine grosse Kulturnation wie Frankreich. Für die Rechtspopulistin Le Pen gehört aber gerade das Pariser Kulturleben zum «System», das sie bekämpft.
Aber auch bei ihrem linksliberalen Gegner Macron scheint das nicht gerade ein Terrain zu sein, auf dem er mit besonders viel Stimmengewinn rechnet.
Denkmalschutz vs. Globalisierung
Der Vergleich der Kulturpolitik der beiden Finalisten der französischen Präsidentenwahl lohnt sich aber, weil sich darin in sehr treffender Weise die grundsätzlich verschiedene Weltanschauung spiegelt.
Bei der Rechtsextremistin Le Pen dreht sich das ganze Programm um die Forderung nach nationaler Bevorzugung, um den Rückzug auf die Nation im restriktiven Sinn, auf ein Land mit geschlossenen Grenzen. Für sie ist Kulturpolitik prioritär eine Bewahrung des Erbes mit dem Blick zurück in die Vergangenheit. Ihre Kulturförderung ist in erster Linie ein Denkmalschutz.
Für den Liberalen Macron, der für den Freihandel und die Globalisierung ist und sich daraus möglichst viel Nutzen für Frankreich erhofft, ist eine auf den nationalen Rahmen beschränkte Definition der Kultur ein Unsinn, da diese vielfältig und in ihrer Kreativität für Einflüsse von aussen offen bleiben muss.
Tradition statt Multikulti
In ihrem Wahlprogramm möchte Marine Le Pen vor allem fördern, was zu den Traditionen gehört, auch was bisher nicht dem exklusiven Geschmack der von ihr verteufelten Elite entsprach. So soll beispielsweise die Nachwuchsförderung möglichst auf lokalem Niveau den einheimischen Talenten vorbehalten sein.
Wie sich das freilich auswirken kann, haben eine Reihe bereits vom Front National regierter Städte erlebt, wo alle «multikulturellen» Vereinigungen, die nicht ins Konzept der extremen Rechten passen, keine Subventionen mehr erhalten. Le Pen hat auch versprochen, sie wolle die Jugend mit einer «echten» Musikerziehung auf den richtigen Geschmack bringen.
Kulturabo für Junge
Der kulturpolitische Schlager im Programm von Macron ist ein sogenannter «Kulturpass», der den Jungen den Zugang zu allen Sparten des Kulturlebens erleichtern soll. Mit 18 Jahren sollen sie einen Gutschein im Wert von 500 Euro erhalten, mit dem sie nach freier Wahl Tickets für Konzerte, Ausstellungen, Theater- und Tanzaufführungen, Bücher oder Multimedia-Inhalte erwerben können.
Für die Berufstätigkeiten der Kultur möchte er eine Art europäisches «Erasmus»-Austauschprogramm. Macron wünscht, dass die Bibliotheken auch am Abend und an den Wochenenden geöffnet bleiben.
Wahlappelle von Kulturschaffenden
Erst ganz zum Schluss dieser Kampagne haben sich Kulturschaffenden zu den Wahlen geäussert, als die Sorge wuchs, dass die rechtsextreme Kandidatin mit ihrem nationalistischen Programm eine – wenn auch geringe – Wahlchance haben könnte.
Es waren zuerst die Filmemacher, die angeführt von Claude Lelouche und Costa Gavras Alarm schlugen. Für sie ist eine Stimmenthaltung oder Leereinlegen ebenso wenig eine Option wie eine Stimme für Le Pen.
In ähnlicher Weise hat nun auch eine Gruppe von Künstlern um Christian Boltanski und Daniel Buren einen Appell an die Wahlberechtigten lanciert. Dieser richtet sich speziell an die vielem Unschlüssigen, die noch zögern oder mit dem Gedanken spielten, weder Macron noch Le Pen zu wählen.
Zusammenleben retten
Aus der Sicht der französischen Kultur mit ihrer internationalen Ausstrahlung komme ein Wahlsieg der Rechtsextremistin nicht infrage, eine Stimmenthaltung oder Leereinlegen seien aber angesichts der Gefahren «nicht ausreichend».
Bei einem von der Organisation «SOS Racisme» organisierten Openair-Konzert auf der Place de la République geht es bereits um mehr als die Wahlen. Sondern es ist ein Zeichen für «alles, was die extreme Rechte zerstören will: Das Zusammenleben und die alltägliche Solidarität.»
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur Kompakt, 3.5.17, 17:08 Uhr