Spätestens seit den Kampfkunstfilmen mit Stars wie Jackie Chan und Bruce Lee ist Kung-Fu nicht nur in China, sondern auch bei uns bekannt. Inzwischen werden auch Manager mit der Kampfkunst der Shaolin-Mönche gecoacht.
Der deutsche Shaolin-Meister Shi Heng Yi bietet solchen Unterricht an. Er war schon als Kind begeistert von Kampfkunst: Mit seinem Bruder schaute er sich einiges von Bruce Lee und Konsorten ab.
Anstrengen bis zum Erbrechen
Als 4-Jähriger begann er sein Kung-Fu-Training. Heute leitet er den «Shaolin Temple Europe» bei Karlsruhe. Dort empfängt er Wagemutige für einen Klosteraufenthalt auf Zeit und führt sie in die Kunst des Atmens und der Selbstbeherrschung ein.
Selbstbeherrschung braucht es bei dem harten Training unbedingt. Manch einer scheidet vorzeitig aus, weil er sich vor Anstrengung übergeben muss. Frauen sind zwar willkommen, allerdings nehmen vor allem Männer teil.
Zum strikten Tagesplan gehören unter anderem Treppensteigen auf allen Vieren, gefühlte Ewigkeiten im Reiterstand und Liegestützen auf Fäusten und kiesigem Boden.
Mit dem Kopf durch die Wand
Warum tut man sich das an? Um den Geist zu disziplinieren, erklärt der Shaolin. Erst aus einem klaren Geist würden richtige Entscheidungen gefällt. Damit man in emotionalen Situationen nicht überhastet reagiert, brauche es hartes Training.
Etwa, den Reiterstand während 5 Minuten zu halten, «auch wenn es schmerzhaft ist und der Kopf ständig sagt: ‹Hör auf!›».
Shi Heng Yi praktiziert seit über 30 Jahren. Die letzten Jahre verbrachte er primär im selbst gegründeten Kloster. In den Einschränkungen dieses Lebens findet er Freiheit: «Regeln dienen dem Menschen, nicht umgekehrt.»
Ein Shaolin mit MBA
Wenn man Freiheit wolle, sei es gut, sich zuerst mit Beschränkung zu beschäftigen. Der Shaolin verweist auf das daoistische Prinzip von Yin und Yang, deren komplementäre Kräfte die Entstehung und den Wandel der Dinge erklären.
Der Sohn vietnamesischer Eltern hat auch die weltliche Freiheit getestet: Vor seiner Kampfkunstkarriere hat er Sozial- und Kommunikationswissenschaft studiert, einen MBA gemacht und der Liebe für Motorräder gefrönt.
Kampfkunst sei immer ein Ankerpunkt gewesen: «Wenn ich mich ausser Balance fühlte, war die Kung-Fu-Praxis das, was gleich blieb».
Motivator für Millionen
Shi Heng Yis zweites Spielfeld ist das Internet: Er tritt in TedX-Talks, Podcasts und diversen YouTube-Formaten auf. Dort erreicht Tien Sy Vuong, so sein bürgerlicher Name, ein Millionenpublikum.
Was er sowohl online als auch im Coaching mit Managern vermittelt, hat viel mit populären Themen wie Selbst- und Impulskontrolle zu tun: «Wer andere managen muss, soll zuerst lernen, sich selbst zu managen», meint er. Dafür müsse man verstehen, woraus man selbst bestehe, «und was davon die eigenen Entscheidungen beeinflusst».
Klarheit durch Kommerz?
Der Shaolin-Meister lehrt meditative Methoden, um innere Klarheit zu entwickeln. Dabei versucht er, 1500-jähriges Geheimwissen auf die Gegenwart zu übertragen.
Wie geht das zusammen: die Kommerzialisierung dieses Wissens und dessen authentische Weiterführung? Vermutlich gar nicht.
Shi Heng Yi ist sich aber sicher: «Wer Shaolin-Methoden verwendet und damit Menschen befreit, ihnen etwas an die Hand gibt, mit dem sie sich körperlich und geistig besser fühlen, zollt der Lehre den nötigen Respekt.»