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Kunst des Widerstands Die Proteste in den USA sind so kreativ, dass sie keiner versteht

Menschen lassen sich plötzlich zu Boden fallen – wozu? Andere häkeln Gebärmütter, oder laufen mit Matratzen durch Universitäten. Was ist der Sinn dieser Aktionen? Seit «Occupy Wall Street» haben fantasievolle Protestaktionen in den USA Konjunktur. Freizeitbeschäftigung oder wirksamer Widerstand?

«Everyday Rebellion»

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Der Dok-Film «Everyday Rebellion» feiert die Kraft des kreativen, gewaltlosen Widerstands. SRF Kultur Korrespondenten gehen der Frage nach: Was ist daraus geworden?

Wer im vergangenen Jahr eine Filiale der amerikanischen Bastelkette Hobby Lobby besuchte, stiess in der Nähabteilung möglicherweise auf eine hübsche Stickerei mit der Aufschrift: «Sex ist toll, Fortpflanzung ist freiwillig». Die Kunstblumen einige Regale weiter könnten zu den Worten «Abtreibung ist ein Menschenrecht» arrangiert worden sein. Und ganz sicher haben die Mitglieder der religiösen und erzkonservativen Gründerfamilie von Hobby Lobby per Post jede Menge gehäkelte, getöpferte und gemalte Modelle von Gebärmüttern erhalten.

Gebastelter Protest gegen Gerichtsentscheid

So gestaltete sich nämlich der landesweite Protest gegen eine Entscheidung des obersten Gerichtes, wonach Familienbetriebe wie Hobby Lobby das Recht haben, ihren weiblichen Angestellten aus Glaubensgründen den Versicherungsschutz für Schwangerschaftsverhütung zu verweigern.

«Occupy Wall Street»

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Ausgehend von der Finanzkrise brach im Herbst 2011 eine Welle der Empörung los: Mit Performance statt Gewalt protestierten Massen gegen die Macht des Geldes. Die Politaktivisten «The Yes Men» boten mit Konferenzen eine Anleitung zum humorvollen Protest, die Wissenschaftlerin Erica Chenoweth eine Analyse über den Erfolg gewaltfreien Widerstands.

In manchen katholischen Kirchen New Yorks wiederum gehören neuerdings sogenannte «mass mobs», «Messemobs» zum Sonntagsritual. Gläubige verwandeln dort das stille Gebet in ein musikalisches Spektakel mit rockigen Psalmen, um gegen die Schliessung dutzender Gotteshäuser zu demonstrieren, die der Erzbischof angekündigt hat. Und noch immer kommt es in vielen US-Städten zu «die-ins»: Gruppen von Menschen lassen sich auf Kreuzungen oder in Cafés mit den Worten «Ich kann nicht atmen» auf den Boden fallen und bleiben regungslos liegen – in Erinnerung an Eric Garner, der im Sommer 2014 in Staten Island im Schwitzkasten eines Polizisten starb.

«Why Civil Resistance Works»

Kein Zweifel: Kreative Formen des Widerstands haben seit «Occupy Wall Street» auch in den USA Konjunktur. Die Politikwissenschaftlerinnen Erica Chenoweth und Maria J. Stephan legen in ihrer Aktivismus-Bibel «Why Civil Resistance Works» («Warum ziviler Widerstand funktioniert») Zahlen zu diesem Phänomen sowie eine inhaltliche Analyse vor. Die Presse und die sozialen Medien liefern praktisch täglich die Bilder dazu. Einmal sind es Studentinnen, die Matratzen durch Eliteuniversitäten schleppen, um auf die fehlenden Massnahmen gegen Vergewaltigungen auf dem Campus hinzuweisen. Dann sind es Live-Tweets aus dem «Yes Lab», dem Workshop der «Yes Men» an der New York University, wo das Duo Jacques Servin und Igor Vamos Interessierten die Grundlagen der humoristischen Subversion beibringen.

Performance-Kunst oder Rebellion?

Die «Yes Men» illustrieren allerdings auch die Grenzen der originellen Unmutsbezeugung. Jacques Servin und Igor Vamos hatten ihren ersten grossen Auftritt im Jahr 2000 als Künstler mit einem Projekt an der Biennale des New Yorker Whitney Museums. Tatsächlich gleichen manche Versionen des modernen Aktionismus eher Performance-Kunst als einer Rebellion mit konkreten Zielen.

Und für Kunst haben viele US-Amerikaner nur bedingt Verständnis. Gerade «Occupy Wall Street» hat gezeigt, dass nicht einmal die Leute, für die sich die Bewegung eigentlich einsetzte, die ironischen Sprüche begriffen, welche die Besetzer des Zucotti Parks auf ihren Transparenten schwenkten. Vor lauter Kreativität laufen gewisse Aktionen Gefahr, als Freizeitbeschäftigung einer Elite wahrgenommen zu werden, die von den Anliegen der Malochenden, Unterdrückten oder anderweitig Benachteiligten keine Ahnung hat.

Geduld des Publikums ist beschränkt

Sacha Verna

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Sacha Verna wurde in Zürich geboren und lebt seit 2001 in New York. Sie arbeitet als Journalistin für unterschiedliche Medien, unter anderem für SRF Kultur.

Nach der jüngsten Wirtschaftskrise wurde in den Vereinigten Staaten ein einziges Gesetz zur Regulierung der Banken verabschiedet. Selbst diese «Dodd-Frank Wall Street Reform» hat man inzwischen aber so massiv zurechtgestutzt, dass von Reform und Regulierung keine Rede mehr sein kann.

Kreative Formen des Widerstands sind für die Instagramgesellschaft attraktiv. Doch besonders in den USA ist die Geduld des Publikums beschränkt, egal wie witzig, fantasievoll und auf wie vielen Kanälen Forderungen und Botschaften präsentiert werden. Um nachhaltige Veränderungen zu bewirken, braucht es offenbar mehr. Was, muss sich noch weisen.

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